Kulturteil.ch bietet Freiraum

Stadt Luzern, 04.04.2016: In der Novemberausgabe von «041 – Das Kulturmagazin» berichteten wir ausgiebig über kulturelle Freiräume in und um Luzern. Nun regt sich etwas. Die üblichen Rezensionsposts von Kulturteil.ch unterbrechen wir an dieser Stelle für eine brisante, exklusiv für Kulturteil.ch verfasste Geschichte zu drei leerstehenden Villen an der Obergrundstrasse. Sämtliche anderen lokalen Medien winkten mit Verweis auf «fehlende Aktualität» ab. Den Text haben die beiden städtischen SP-Politiker Joel Mayo und Gianluca Pardini verfasst.

«Können wir Räume schaffen, in welchem interkultureller Austausch spontan, unkompliziert und ohne Verbindlichkeiten gegenüber Behörden möglich ist? Platz dazu gäbe es im Grunde genommen genug: So stehen an der Obergrundstrasse drei Stadtvillen seit Jahren leer. Diese wollte die Gruppe Tamara, ein heterogener Zusammenschluss von Kultur- und KunstaktivistInnen, politisch engagierten und interessierten Personen als interkulturellen Treffpunkt nutzen. Ihre Anfrage an die Bodum-Invest wurde jedoch umgehend und deutlich zurückgewiesen. Weitere Auskünfte waren nicht möglich, der Gruppe wurde der Rücken zugedreht. Ohne dass dem diskussionswürdigen Inhalt der Anfrage Beachtung geschenkt worden wäre. Die Gruppe fühlte sich in ihrer Feststellung bestätigt, dass an starren Eigentums- und Nutzungsverhältnissen auch mit konkreten Ideen nicht zu rütteln ist. Die drei Stadtvillen stehen also weiterhin, mit Verweis auf (nicht stattfindende) Renovationsarbeiten leer. Kein Zutritt für Kulturschaffende, keine Resonanz für Kritik und progressive Ideen. Umso wichtiger ist es, die Diskussion um Freiräume für Ideen und Projekte mit kreativen Gestaltungsmitteln weiter anzufeuern. Schwierig wird es, wenn die regionale Berichterstattung sich einer Facebook-Klick-Neurotik dogmatisch verschreibt. Investigative Berichterstattung bleibt ein Fremdwort. Der Aktualitätsdrang äussert sich in inhaltlicher Verweigerung – Die Bereitschaft, Diskussionen aufzugreifen und langfristig zu bespielen, sinkt; Hauptsache den Ball flachhalten. Schliesslich ist die Debatte um Freiraum kein unbeschriebenes Blatt. Zwischennutzungs- und GSW-Initiative, die Aktion Freiraum, Zwischennutzung Neubad, Industrie- und Tribschenstrasse zeigen, dass das Thema die Stadtbevölkerung bewegt. Wieso verpasst man diese Diskussion? Wo sind die Hindernisse zum Führen einer breiten Debatte? Die Journalistinnen und Journalisten sind darin der Bodum-Invest nicht unähnlich. Der Status Quo wird akzeptiert, weiterdenken gibt es nicht, es bleibt, so wie es ist: Leer. Die derweil in Luzern geltende Abbau-Doktrin wirkt auf die Stadt wie ein lokales Anästhetikum. Während Investoren mit tiefen Steuern und grossen Büroflächen angelockt werden sollen, werden kleinen, innovativen Projekten die finanziellen Mittel entzogen. Im Run auf die Investoren schlägt die Stadt auch die kulturpolitischen Pflöcke falsch ein. Gehen die Lockrufe der Steuerstrategen Luzerns so weiter, landen die Investoren schon bald mit ihren Privatjets auf dem Vierwaldtättersee. Denn der kulturpolitische Gedanke Luzerns scheint sich darauf zu begrenzen, in absehbarer Zeit die Salzburger Festspiele zu toppen. Festivals und architektonisch aufwendige Festhütten diktieren die Agenda. Dass in Luzern Kultur nicht mehr ohne Fachausweis und Verwaltung geschaffen werden kann, stösst auf Unmut. Den Widerspruch zwischen mangelndem Freiraum und Raum, welcher ohne die Erfüllung jeden Zwecks während Jahren durch Leerstand besetzt gehalten wird, wollen viele nicht länger hinnehmen. Daran ändern auch neue Kulturtempel am Stadtrand nichts. Erinnert diese Strategie doch an den Versuch, die Diskussion um Freiraum mit Kulturalmosen im Keim zu ersticken. Fest steht: Die Diskussion muss mit neuen und proaktiven Mitteln angegangen werden. Wie jedoch, wenn sich die Medienlandschaft kritischen Inhalten nicht anzunähern getraut, abgeblockt wird, aber das Verlangen nach solchen Freiräumen offenkundig ist? Vielleicht muss endlich der provinzielle Frieden dieser Stadt gestört werden.»