Kultur versus Sport?!

Senkel Stans, 18.09.2014: Die eingereichte Motion eines FDP-Landrats erhitzt momentan die kulturellen Gemüter von Nidwalden (wir berichteten in der September-Ausgabe von 041 – Das Kulturmagazin). Beim «Kleff #2» lieferte Niklaus Reinhard, ebenfalls FDP-Landrat, einen hellwachen Input – die Anwesenden diskutierten im Anschluss daran rege über das weitere Vorgehen.

In Nidwalden geht es politisch gerade ums Ganze. Dieses Gefühl hat man jedenfalls, wenn hier im Jugendkulturhaus Senkel Kulturinteressierte aus der Region zusammensitzen und diskutieren. «Das Ganze» sind in diesem Fall Kulturgelder von insgesamt 225’000 Franken. Der Landrat Philippe Banz aus Hergiswil hat nämlich Anfang Jahr eine Motion eingereicht, die im Kanton eine «Verschiebung der Lotteriemittel zu Gunsten des Sportfonds» vorsieht. Pikant erscheint dabei, dass dies zu Lasten der Kultur gehen soll. Die Fördergelder für die Kultur (40 %) sollen nach der Motion um 10 % verringert, und diejenigen des Sportfonds, der bis anhin 20 % betrug, um ebendiese zehn erhöht werden. Dadurch soll der Leistungssport in Nidwalden gefördert werden. Bessere Vorbilder seien die Folge, Begeisterung beim Volk, Ruhm und Ehre, man hätte dann «ideale Botschafter für den Kanton», so der Wortlaut der Motion. Im Senkel fand deshalb ein Inputreferat mit anschliessender Diskussion statt.

David gegen David

Gilles Rosset, Gründer und Mitorganisator des «Kleff» (ein vom Migros-Kulturprozent unterstützter Treff, wo sich Kulturtäter gegenseitig austauschen können), stellt den Gastreferenten Niklaus Reinhard als «Menschen mit grossem kulturellen Feingefühl» vor. Der richtige Mann für den Abend also. Er engagiert sich neben seiner beruflichen Tätigkeit als Architekt sowohl politisch (Mitglied des Nidwaldner Landrats) als auch kulturell (Präsident des Literaturhaus Zentralschweiz). Zuerst geht es um die Motion und ihre Auswirkungen. Reinhard gibt eine Lektion in – wie er es selbst nennt – «trockenem Staatskundeunterricht». Dies muss, wie bald klar wird, rhetorisch verstanden werden. Denn Reinhard zeigt nur den Status Quo (Kultur & Sport sind bereits knapp budgetiert) und die Auswirkungen der Motion (Kultur wird noch knapper budgetiert & der Sport etwas weniger knapp) in aller Detailgenauigkeit, und schon wird ersichtlich, wie hier eigentlich «die zwei Schwächsten aufeinander losgehen» (Stefan Zollinger, Leiter Amt für Kultur des Kantons Nidwalden).

Reinhard stellt klar: Es gehe ihm heute Abend überhaupt nicht um ein «gegen den Sport», sondern ein «für die Kultur». Er wolle eine wie auch immer geartete Bewegung lancieren, die ein Bewusstsein für das Kulturelle  schafft. Dafür, dass erkannt wird, dass Kultur nicht nur «nice to have» ist, sondern wesentlich zur Förderung unser aller Lebensqualität beiträgt. Und natürlich dafür, dass dieser Fauxpas vom Landrat nicht durchgewunken wird. Diese Wahrscheinlichkeit schätzt Reinhard nämlich als relativ gross ein. Dabei gäbe es Alternativen und Ideen. Eine davon zeigt der Redner auf: Die Gelder des Lotteriefonds würden so umverteilt, dass dem Regierungsrats- und dem Kulturtopf je 5 % entzogen würden, diese 10 % aber wiederum in einen Topf fliessen würden, der dann die Spitze des Sports und der Kultur unterstützt. Ein Kompromiss, mit dem doch beide leben könnten? Hoffentlich. Denn wenn die Motion vom Landrat angenommen wird, müsste man das Referendum ergreifen. Und es kostet sicher noch viel mehr Aufwand, Geld und Nerven, dem Nidwaldner Volk klarzumachen, dass auch Kultur einem Kanton Strahlungskraft verleiht.

Der Kulturumzug

Überhaupt geht es heute Abend oft um Kompromisse. Verständlich. Weshalb soll schliesslich auf ein berechtigtes Anliegen von bestimmten Beteiligten so eingegangen werden, dass gewisse andere Beteiligte benachteiligt werden würden? Oder weniger schwurbelig formuliert: wieso mehr Sport zu Lasten der Kultur, wenn es Alternativen gibt? Man könnte ja auch zusammenspannen und vereinbaren, dass das Geld aufgetrieben wird, aber sicher nicht aus dem Kulturfonds. Und vor allem sollte man doch zuerst miteinander reden. Wie an der Veranstaltung heute. Im Senkel anwesend sind etwa Christophe Rosset, Leiter der Stanser Musiktage, Sheilina Durrer und Peter Baggenstos, Betreiber der Backstube Stans, Rene «Coal» Burrell, über die Zentralschweiz hinaus bekannter Musiker und viele andere Kulturschaffende. Aber auch ein klarer Befürworter der Motion: Philip Hartmann, Leiter des Amts für Sport. Alle diskutieren nach dem Input von Reinhard eifrig mit.

Was nun? Den Landrat überzeugen? Den Ratssaal stürmen? Eine unkonventionelle Lösung, der alle mehr oder weniger zustimmen, ist diejenige von Urs Sibler, Direktor des Museum Bruder Klaus in Sachseln.  Seine Idee ist ein Kulturumzug. Denn Sportlerempfänge oder Fasnachtsumzüge gäbe es ja schon längst. Dort würde dann das Nidwaldnerische Kulturschaffen in seiner ganzen Blüte erstrahlen. Mit all den Leuten, die dahinterstecken. Vielleicht auch der Filmemacherin Thais Odermatt, die ja auch über den Kanton hinaus wahrgenommen wird. Ein Umzug mit «idealen Botschaftern für den Kanton» also, die zeigen, was hinter all diesen nidwaldnerischen «Kultürlern» steckt, und die auch zeigen, dass Kultur nicht nur «nice to have» ist, sondern ein existenzielles Grundbedürfnis darstellt. Genauso wie der Sport übrigens. (Natürlich wird aber auch das Fazit gezogen, dass man reichlich Überzeugungsarbeit leisten muss und in einem ersten Schritt seine ganze Energie in diese steckt, damit nicht das Referendum ansteht. Ein Termin wurde gefixt, genügend Leute wurden – insbesondere nach dem heutigen Abend – mobilisiert.)

Der nächste KLEFF findet am 11. Dezember um 19 Uhr im Senkel statt.