Kulinarisches, aber nicht nur

Loge Luzern, 11.2.2014: Literarisches, das den Braten fett macht. Die Luzerner Lesebühne lud ein weiteres Mal zum bunt gemischten Abend, an dem auch aus aktuellem traurigen Anlass des verstorbenen Verlegers Martin Wallimann gedacht wurde.

Diese Ausgabe steht auch im Zeichen eines Abwesenden. Einer, der eigentlich kommen wollte, konnte nicht mehr. Sein Platz bleibt leer. Er fehlt. Verleger Martin Wallimann starb am 5. Februar, völlig unerwartet, noch keine 56 Jahre alt. Ein grosser Verlust, den nicht nur die Autoren spüren. Auch das Lesepublikum. Einer von Wallimans Autoren ist Heinz Stalder, Spezialgast in der Loge. Er hatte an Wallimans Todestag noch mit ihm telefoniert, gemailt und für den kommenden Tag ein Treffen vereinbart. Dazu ist es nicht mehr gekommen. Das Buch, das letztes Jahr herauskam, heisst «Krummen». Es ist ein absolut lesenswertes, wunderschön trauriges Buch vom Verdingbub und Knecht, der einfach nur Krummen heisst. Heinz Stalder liest eine Passage über die Entlassung Krummens aus dem Aktivdienst. Die Szene, in der Krummen all sein Militärzeug am Gotthard aus dem Zug in die Reuss schmeisst. Zeug, das ihm später bei der Inspektion fehlt. Er muss vor den Kadi. Eine wunderbare Szene. Zum Schluss das Ende des Buches, der Ausflug von betagten Knechten in den Jura inklusive Krummen, der sterben wird. Das Roman-Ende habe Martin Wallimann besonders gut gefallen, sagt Heinz Stalder. Erinnerungen auch von Chefmoderator und MC Graeff, der mit Martin Wallimann wiederholt zusammengearbeitet hat. Schön die persönliche Reminiszenz an ein buchstäbliches erstes Treffen, bei dem Graeff an einer Buchmesse in Wallimann hineingeputscht ist – eine dennoch sanfte Begegnung. Später soll – wirklich wahr? – Graeff Ähnliches, aber natürlich gänzlich Anderes mit einem gewissen Helmut Kohl widerfahren sein. Die fünfte Folge der vierten Staffel der ersten Luzerner Lesebühne hat sie alle wieder vereint, die in der Stammbesetzung mitspielen, so wie es der Veranstaltungstitel verspricht: «The Beauties & The Beast». Die Schönen heissen ausser Graeff Christov Rolla (der Mann am Harmonium) André Schürmann, seines Zeichens Mit-Hausherr («Logen-Verweser») sowie als «Biestin», jeweils eigens aus Bern angereist, Sandra Künzi. Thema des Abends ist, nach dem letztmaligen Fischstäbli-Happening, erneut Kulinarisches: «Und wieder kalter Braten». Nebst Literarischem und Gesungenem gibt’s das Fleischliche tatsächlich, vorgängig von Herrn Graeff mariniert und am Abend eigenhändig live tranchiert und in die Publikumsrunde gegeben. Das Vorgetragene steht mehr oder weniger im Zeichen des Abend-Mottos, bisweilen wörtlich: «Iss den Braten, den du heute kannst besorgen» (Schürmann), «Manchmal fühle ich mich wie ein Braten» (Rolla), «Schlegle» (ethymologisch mit Tierkörperteilen verwandt, Künzi). Es kann ausser kulinarisch aber auch mythologisch-nautisch werden, wenn Rolla sein Intro-Lied zur vorvorletzten (= ersten) Nawal-Inszenierung singt («Odyssens Klage») oder theologisch (Graeffs Auszüge aus «Gospel für Atheisten») – wie man überhaupt eine grosszügige Interpretation des Lesungs-Themas walten lässt (Graeff dazu selbstanalytisch: «Ey, wie das alles wieder zusammenpasst!»). So oder so, alles in allem: Das Ganze ward als bunter Abend auch ein unterhaltsam-vergnüglicher. Ganz Schluss noch ein Lied, vom Duo Canaille du jour (Rolla/Graeff) dargebracht, aus alter Zeit (1919) stammend, von Otto Reutter einst gedichtet und gesungen. Titel: «In 50 Jahren ist alles vorbei». Die Schlussstrophen: Und fürchte dich nie, ist der Tod auch nah: Je mehr du ihn fürcht'st, um so eher ist er da. Vorm Tode sich fürchten, hat keinen Zweck. Man erlebt ihn ja nicht, – wenn er kommt, ist man weg – Und schliesslich kommen wir alle an die Reih'... ...in 50 Jahren ist alles vorbei. Drum: Hast du noch Wein, dann trink ihn aus. Und hast du ein Mädel, dann bring's nach Haus. Und freu dich hier unten beim Erdenlicht. Wie's unten ist, weisst du – wie oben nicht. Nur einmal blüht im Jahre der Mai – und in 50 Jahren ist alles vorbei – Du Rindvieh, dann ist es vorbei!

Nächste Lesebühne: Dienstag, 11. März 2014, 20.00, Loge, Moosstrasse 26, Luzern (Gast: Michèle Binswanger, «Tages-Anzeiger»)