Kontraste im Zeichen des Pop-Rock

Treibhaus Luzern, 07.02.2014: 5 versus 100: Ein Abend der Gegensätze mit Bohemian Breakfast und den Striving Vines. Präzise Monotonie versus unpräzise Spannung.

Die Kontraste waren interessant: Auf der einen Seite der dänische Vierer Striving Vines mit über hundert Konzerten Erfahrung. Und auf der anderen die selbsternannten Pop-Piraten Bohemian Breakfast aus Luzern, welche gerade mal ihren fünften Gig zum Besten gaben. Über vergleichsweise junge Formationen zu schreiben ist immer eine Herausforderung. Mal sind sie brutal schlecht, mit Potenzial ausgestattet oder bereits zu Beginn stark. Dabei entscheiden verschiedene Faktoren, von der Fähigkeit am Instrument über die Chemie der Personen bis zur grundsätzlichen Attitüde. Zudem ist die Bühne immer ein Ort des Wagnisses, für dessen Zugang Mut und Leidenschaft nötig sind. Die Anfänge erscheinen hierbei immer besonders interessant, weil dort die Entwicklung einer Gruppe in purer Form beobachtet werden kann. Gerade Bohemian Breakfast sind wie schon angesprochen eine solche junge Band, die sich stetig entwickelt. Kein Vergleich zum letztgesehenen Konzert im Treibhaus war jener Auftritt. Instrumental ist zwar Probearbeit erforderlich. Der Gitarrensound wurde noch nicht gefunden. Und nicht zu vergessen, die Aufregung: Gelegentliche Textaussetzer wurden mit zu übertriebener Gestik/Mimik dem Publikum offensichtlich präsentiert. Stellenweise bestand zudem die Gefahr, dass vor sprudelnder Leidenschaft der Eindruck der Affektiertheit erweckt wurde. Doch solche Anfängerfehler passieren und sind bei ordentlicher Musik zu verkraften. Die Mischung aus schweizerdeutschen-englischen Texten gefiel nämlich und weckte positive Eindrücke von Mundart-Pop-Rock-Vertretern. Ohnehin imponierte das Songwriting mit Abwechslung. Ausserdem hatten die Musiker offensichtlich Spass, welcher sich auf die Konzertgänger übertrug. Ein bisschen mehr Proben sowie weniger Pathos, dann kommt das richtig gut. Bemerkung am Rande: Weil sich die Bassistin in den Finger schnitt, sprang kurzerhand der Maze-Tieftöner Matthias Brägger ein und lieferte einen präzisen Job. Am gleichen Tag absolvierte er übrigens seine letzte Prüfung an der ETH. Was für ein Teufelskerl. Die dänische Band Striving Vines schlug im Anschluss in eine andere Kerbe. Technisch erschienen die vier Männer enorm präzise, ja sogar stark! Vor allem Lead-Sänger Jonas Miller glänzte. Das Mobiliar auf der Bühne konnte sich mit stimmungsvoll verzierten Verstärkern und Schriftzügen (welche im Schwarzlicht leuchteten) sehen lassen. Ein eigener Tontechniker und Monitoren ergänzten den Eindruck, dass die Jungs auf ihrer Europatournee Gas geben wollten. Beeindruckend erschien auch der Umstand, dass trotz wenig Werbung und gerade mal fünf Facebookanmeldungen doch um die 40 Leute (mehrheitlich weiblich) im Treibhaus tanzten und die Band feierten. Die Kombination «aus 80er Jahre Songwriting im 60er Soundgewand mit modernen Einflüssen» (laut Pressetext; ja was denn jetzt?) funktionierte. Mich erinnerte sie an einen Klon aus Surf-Sounds, einfachen Pop-Melodien und der typisch-skandinavischen Innovation. Gerade bei letzerem genannten Element beeindruckte der Exponent am jenem Abend wenig. Zu simpel, ja sogar monoton erschienen die Songs. Auf Anfrage nach dem Eindruck mussten sich diesen Umstand sogar ein paar der zuvor tanzenden Damen eingestehen: «Der Sound hätte durchaus ein wenig mehr Härte und Tiefe vertragen können». So war der Gig denn ein guter, aber zugleich einer, welcher nicht allzu lange im kollektiven Gedächtnis verweilen wird. Trotzdem schön, dass die nordischen Musikvertreter immer wieder ihren Weg nach Luzern finden. Was übrigens jenes Konzert genau mit dem 10-jährigen Jubiläum des Treibhaus Luzern zu tun hatte, erschien mir schleierhaft.