Kleine Loge, grosses Kino

Loge Luzern, 12.11.13: Mit der zweiten Folge der diesjährigen «Luzerner Lesebühne» gelang die seltene Mischung von literarischem und musikalischem Talent mit der Kunst der wirklich guten Unterhaltung. Die kleine Formation «The Beauties and the Beast», bestehend aus den vier Stammtisch-Kulturköpfen MC Graeff, Christov Rolla, André Schürmann und Sandra Künzi sowie dem Gast Peter Stobbe, sorgte unter dem Motto «Niemals in New York» für bestgelaunte Gesichter im Publikum.

Es muss einmal gesagt werden: Die Loge, so klein sie auch sein mag, erhellt mit ihrem innovativen Programm immer wieder den Luzerner Kulturzirkus. Auch an diesem Dienstag bot sie Raum für ein besonderes Vergnügen, als es wieder - Manege frei für die «Luzerner Lesebühne» - hiess. Diese Veranstaltung kommt wohl nicht nur wegen der jeweiligen Qualität der einzelnen Akteure so gut bei den Zuschauern an. Auch das Konzept, das einer TV-Sendung nicht unähnlich scheint, ist geglückt. Denn Max Christian Graeff führt in der Rolle des Moderators, für welche er weit mehr als das bloss nötige Format besitzt, gewohnt schlitzöhrig-galant und virtuos durch den Abend. Mit kleinen Zwischenanekdoten über Schilder, auf denen «Hier war Goethe nicht» steht oder durch eingeschobene, kurze und urkomische «Engelsgedichte» versteht er es, das hohe Niveau des Klamauks zu zelebrieren. Aber das Programm steckt auch sonst voller Witz, Poesie und Esprit; Ob nun Christov Rolla am Harmonium die wunderbar kreativ ins Deutsch übersetzten Klassiker oder selbstgeschriebenen Chansons alleine mit etwas hellerer Stimme, zusammen mit dem tief dröhnenden Graeff singt, oder eine der «Beauties» eines ihrer Gedichte zum Besten gibt. Graeff kündigt zu Beginn an: «Wie Sie sehen, fehlt uns heute das Beast, sie wird nachher live zugeschaltet.» Damit ist Sandra Künzi gemeint, die angeblich wegen einer Probe für die Schweizer Vorausscheidung des ESC nicht anwesend, dafür später aber per Video präsent ist, um über ihr Gesangs- und Tanzprojekt Auskunft zu geben. Natürlich erscheint diese im Laufe der Veranstaltung auch auf der Grossleinwand und erzählt in Blödellaune von ESC-Erfolgsfaktoren und ihren Tänzern, den «Mister Schweizen». Gegen Schluss darf man dann das Ergebnis ihres Bewerbungssongs auch begutachten. Er heisst nicht «Ich war noch niemals in New York», sondern «Ich bin ein gieriges Schwein». Der studierte Philosoph und Direktor der Kunsthochschule Lichtenstein Peter Stobbe, welcher als Gast dieser Ausgabe der «Luzerner Lesebühne» auftritt, erschafft mit seinen Leseproben aus dem neusten Werk «Die Welt in Waben» einen ruhigeren Gegensatz zur sonst eher varieté-gefärbten Darbietung. Die Satzkonstruktion seiner Gedichte klingt zwar nach philosophischer Sprachtradition und daher komplex, ist aber dennoch elegant und schwungvoll anzuhören. André Schürmann, selbst Veranstalter der Loge, überzeugt hingegen mit lockeren slam-artigen Gedichten über die nichtssagenden Kommunikation der «Amis» oder das noch-niemals-in-New York-gewesen-sein. Christov Rolla und MC Graeff, die sonst auch im Duo «Canaille du jour» auftreten, wo sie ihren Gassenliedern frönen, sind es aber denn schliesslich, die jenem Abend mit Musik, Humor und Sprache ausgesprochen gekonnt und sympathisch seine persönliche Note verleihen. Die «Luzerner Lesebühne» findet weiterhin und erfreulicherweise – bis auf die wechselnden Gäste - mit derselben Besetzung statt. Denn bei denen gibt es wirklich nix zu meckern. «The Beauties and the Beast» lassen daher auch mit der nächsten Folge die Hoffnung zu, mehr vom Geld erwarten zu können, als man es von der SRG und so manchen Kultursendungen tut. Ja, die Schönen und Biester der kleinen Bühne - hoffentlich tun sie es noch oft.

Die nächste Ausgabe der «Luzerner Lesebühne» gibt es am 10.12.2013 in der Loge.