Klein, aber aha – «Di chli Häx»

Der Kinderbuch-Klassiker von Ottfried Preussler wird am Luzerner Theater aufgeführt. Ein nicht allzu spannendes Stück, das Musik und Hauptdarsteller zu retten schaffen.

Sie ist 127 Jahre alt, trägt aber immer noch Schultheke. Genau, das muss die kleine Hexe sein, die Heldin des gleichnamigen Kinderbuchs von Otfried Preussler. Die Schultheke, die ist in diesem Fall ein Buch mit Tragriemen, das Buch nämlich mit allen Zaubersprüchen, die so eine Hexe, so sie denn einmal gross werden will, beherrschen können sollen muss. Und da haben wir schon das erste Beispiel für die in zahllosen Details wunderbare Ausstattung von Beni Küng (Bühne) und Birgit Künzler (Kostüme), in der sich «Di chli Häx» im Luzerner Theater abwickeln darf. Da gibt's einen ganz schön schlichten Hexenhorst vor riesigem Vollmond, da gibt's den kleinsten Glacéstand der Welt, und da gibt's ein Hexenhäuschen, das sich wie von Zauberhand dreht, so die Theatertechnik denn nicht versagt. Und darin wohnt, eben, diese kleine Hexe, zusammen mit ihrem Haustier, einem taubenbraven Raben. Und diese kleine Hexe ist, wie es ihr Name sagt, zu klein, um an der Walpurgisnacht mit den anderen Hexen zu tanzen. Was sie nicht daran hindert, es in einer etwas behelfsmässigen Verkleidung als grosse Hexe trotzdem zu tun. Natürlich fliegt sie auf, und natürlich muss sie innert Jahresfrist nun alle Zaubersprüche aller 666 Seiten des Zauberbuches lernen, ansonsten sie zum stinknormalen Menschen degradiert wird. Martina Clavadetscher hat die Vorlage von Otfried Preussler in eine schlanke Theaterfassung übertragen, die man schnörkellos nennen kann, die sich aber auch zwei, drei hübsche Kabinettstückchen über die hochnotkomische Menschenwelt gönnt: Peter Zumstein als Marktfahrer und Schützenfestredner serviert sie mit Schmackes. Was aber ungelöst bleibt, sind gewisse dramaturgische Probleme. Oder ungewunden: Die Geschichte, die Otfried Preussler vermutlich gut meinend geschrieben hat, ist nicht besonders spannend. Die kleine Hexe absolviert ihr Lehr- und Wanderjahr und vollbringt allerlei gute Taten, ohne dass sie sich bewusst ist, dass sich genau dies in der Hexenwelt nicht ziemt. Erstens ist hier, aha, in jedem Moment klar, was gut ist und was böse. Und zweitens, wenn schon, fehlt es am Widerstand des Bösen, gegen den sich das Gute erst durchsetzen müsste. Das Gute fällt der Guten zu, einfach so – und das ist nun mal eine schöne, aber keine besonders gute Geschichte. Kommt dazu, dass die Figuren, die diesen Widerstand notfalls stemmen könnten, in der Regie von Annina Dullin-Witschi zu harmlos bleiben: Peter Zumstein gibt den Hexenchef als eminenten Tölpel. Und zu passiv: Priska Anderhub als Wetterhexe bleibt eine Beobachterin; wenn sie mal Abwehrreflexe auslöst, dann nicht auf der Bühne, sondern im Parkett durch ihre nervige Art, die Satzenden als opernhaftes Drama zu singen. Es passiert also nicht viel in diesen eineinhalb Stunden. Und weil das so ist, gibt es reichlich Musik. Die hat Christov Rolla nun freilich sehr schön nicht im Hexisch-Blubbernden angesiedelt, sondern im Menschlich-Fiedelnden. Es sind Lieder und Weisen, die so herzhaft sind wie das Spiel von Martina Binz als kleine Hexe und Matthias Britschgi als ihr Rabe. Denn natürlich hat es auch in diesem Kinderstück am Luzerner Theater wieder Kinder auf der Bühne, die keine weitere Funktion haben, als dass die Erwachsenen im Publikum sie herzig finden dürfen: Aber es sind die zwei Hauptfiguren, die mit lustigem, ja gelegentlich saukomischem, aber nie überdrehtem Spiel dafür sorgen, dass man dem flachen Abenteuer doch sehr gerne folgt. Ja, dass man, ist es erst überstanden, zusammenfassen darf: Muss man gern haben.