Jedermanns Niemandsland

Luzern, Freitag 18. Januar 2013: Foyer und Kinosaal im Bourbaki waren so gut besucht wie lange nicht mehr. Grund dafür: Die Welturaufführung von «Rock 'n' Roll Kingdom» auf Grossleinwand. Der beeindruckende Anhang der Sedelfamilie sorgte für zwei ausverkaufte Vorstellungen und eine feuchtfröhliche Premiereparty.

Die Filmemacher Luzius Wespe und Thomas Horat nahmen das 30-jährige Bestehen des Luzerner Sedels als Anlass für die Realisierung von «Rock 'n' Roll Kingdom», einem dokumentarischen Porträt über das Musik- und Atelierzentrum. Allerdings wurde nicht die (wohl auch sehr interessante) 30-jährige Sedel-Geschichte von den Anfängen bis in die Gegenwart aufgerollt, sondern der Fokus lag vor allem auf den zahlreichen Musikern und Musikerinnen (in der Anzahl deutlich in der Minderheit) die im Sedel ihre Proberäume besitzen. In den Jahren 2011/2012 brachten die beiden Regisseure allerlei Bands und Leute vor die Kamera und versuchten, in mehr oder weniger tiefgründigen Interviews den Groove des Sedelhauses einzufangen. So zeigt der Film ausschliesslich (zu Beginn gibt es fünf Minuten historischer Rückblick) das Gegenwärtige, Proben, Experimentieren und Produzieren von mehrheitlich lauter Musik. Zu Wort kamen Alteingesessene der 68er Generation wie auch junge, aufstrebende Musiker, die allesamt den Sedel als zweite Heimat, Rückzugsgebiet, als Ort kreativer Verschmelzung oder als Kulturplatz mit eigenem Regelwerk lobreisten. Die Gespräche beleuchteten Themen wie Motivation, Gefühle, Schwierigkeiten, Aussichten und Träume der Musikbands.

Das ehemalige Gefängnis (wer sich für die genaue Geschichte interessiert wird auf der Sedel-Homepage fündig) auf dem Hügel über dem Rotsee hat sich in den letzten Jahren fernab jeglicher kommerziellen Strömungen als eigenständiges, authentisches, stets ein wenig furchteinflössendes und dreckiges Jugendzentrum etabliert. Die vielen Nutzer der vertrackten Räumlichkeiten schätzen neben der Einzigartigkeit auch die Vielfältigkeit des Sedel-Grooves. Die Musikgenres Punk und Rock haben zwar nach wie vor eine Vormachtstellung, werden aber laufend ‹junger Musik› aus den Bereichen Indie und Pop gegenübergestellt. Diese Unterschiede lassen sich in einigen Projekten, die meistens irgendwo auf den Gängen geschmiedet werden, vermischen und zu neuartigen Kompositionen verweben.

Der Dokumentarfilm ist ein interessantes Zeitdokument über die Aktivitäten im Musikzentrum Sedel und wird auch in zehn Jahren noch Aktualität besitzen. Leider kam der geschichtliche Hintergrund und Werdegang etwas zu kurz, und von den Konzerträumen hat man auch nicht viel mitbekommen. Der Hang zur Vollständigkeit der Sedel-Bands und die ausführlichen Interviews liessen nur wenig von der Sedel-Stimmung aufleben. Das primäre Ziel des Films, die Sedel-Musiker und damit auch ein Stück Luzernern Alternativkultur zu porträtieren, wurde definitiv erreicht und hat für einen unterhaltsamen Abend gesorgt.

Folgende Bands und Musiker sind in «Rock 'n' Roll Kingdom»,  porträtiert: Myrta Amstad & Pirmin Setz, The Bonkers, Philipe Burrell, The Chamber Nihilists, The Choons, The Come Ons, Dans La Visage, Eysturoy, Alejandro Jiménez, Jools, Die Knopiloten, Langue Érotique, Moped Lads, Motorslug, Preamp Disaster, Shady and the Vamp, Sin Logica, Daniel Sailer & Fredy Studer

Der Dokumentarfilm «Rock 'n' Roll Kingdom» von Luzius Wespe und Thomas Horat läuft im Kino Bourbaki noch am Samstag, 19. Januar, um 23 Uhr sowie Sonntag, 20. Januar 2013, um 12 Uhr sowie je nach Publikumsaufkommen an weiteren Sonntagen im Kino Bourbaki. Siehe aktuelles Kinoprogramm.