It’s no good crying over spilt milk oder: Ohne Ausstellungstext ist man manchmal aufgeschmissen

Galerie Apropos, 26.01.2014: Zu sehen gibt es nicht allzu viel, zu denken umso mehr. Die aktuelle Ausstellung von Marianne Halter in der Galerie Apropos hängt sich an einem idiomatischen Satz auf, der viel Rätselhaftes hervorbringt und zu irritieren vermag. Ein Versuch einer Ausstellungsrezension ohne fundierte Recherche oder einem Gespräch mit der Künstlerin.

Einer der ältesten und beständigsten Ausstellungsräume in Luzern steht direkt neben der grössten Produktionsstätte, der Hochschule für Kunst und Design. Einen Studenten habe ich zwar an der Eröffnung der Ausstellung von Marianne Halter (*1970) im Apropos nicht entdeckt, jedoch eine gut gefüllte Hand voll Freunden und Bekannten der Künstlerin und natürlich den Ausstellungsmacher himself: Ruedi Schill. Er betreut seit annähernd vierzig Jahren das Apropos und beherbergt im hinteren Raum auch ein umfangreiches Archiv an Rubber Stamp Art, Mail Art und Tape Art. Ihn unbedingt darauf ansprechen beim nächsten Besuch!

In der aktuellen Ausstellung von Marianne Halter, die den Titel «Das Versprechen» trägt, gibt es auf den ersten Blick gar nicht so viel zu sehen. Zwei Seitenspiegel (eines alten Volvos, wurde beiläufig erwähnt) thronen auf einem weissen Sockel. Mit Klebebuchstaben appliziert steht darauf geschrieben: It’s no good crying over spilt milk. Die Gesichter und Aussagen der Besucherinnen und Besucher bleiben beim leisen Rezitieren des Idioms weitestgehend rätselhaft. Ins Deutsche übersetzt bedeutet die Aussage in etwa: Was geschehen ist, ist geschehen. Folglich sollte man sich nicht über eine Sache aufregen, die passiert ist und die man sowieso nicht hätte ändern können.

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Ob die Arbeit in direkter Verbindung mit der grossformatigen Fotografie steht, konnte nicht eruiert werden. Dazu hätte man die Künstlerin um Rat bitten müssen, denn ein Ausstellungstext oder ein anderes vermittelndes Produkt war nicht vorhanden (oder wurde grobfahrlässig übersehen). Jedenfalls zeigt die leicht rauschend gedruckte Fotografie eine Waldsituation an einer Kreuzung. Das Dämmerungslicht lässt ein kleines, rot-weisses Holzhäuschen inmitten des komplementären Grünkontrastes regelrecht erstrahlen. Darüber drückt sich ein dunkelblauer Nachthimmel über die Baumkronen.

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Über die Funktion des Häuschens ist nichts bekannt, und es lässt nur vage Vermutungen zu: Ein Jägerstand (jedoch viel zu niedrig und farblich zu auffällig), ein Posten eines Verkehrspolizisten (wobei der Signalisationsbedarf in Frage gestellt werden muss) oder vielleicht handelt es sich um einen Informationsstand eines mysteriösen Vergnügungsparks (wo ist die Ansprechperson oder der Flyerhaufen?). Tatsächlich fokussiert das Auge beim Betrachten der Fotografie stets das auffällige kleinen Häuschen. Setzt man den Hintergrund in den Fokus der Betrachtung, fühlt man sich unweigerlich an eine Bildvorlage von Hans Emmenegger erinnert, der im 19. und 20. Jahrhundert seine Malerei unter anderem den unspektakulären, aber atmosphärisch-fantastischen Waldlandschaften gewidmet hat. Oder aber es könnte sich um einen Filmstill aus einem kongenialen Psychothriller von David Lynch handeln.

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Die Fotografie von Marianne Halter, die in gerahmter und deutlich kleinerer Version ebenfalls in den Galerie hängt, lebt von der mysteriösen Atmosphäre und dem steten Unbehagen, es könnte bald etwas passieren an diesem Ort. Und in diesem Moment erinnert man sich an die Installation mit den Autospiegeln: Was geschehen ist, ist geschehen oder eben: It’s no good crying over spilt milk. Also durchaus möglich, dass die Handlung – wir können hier natürlich das schlimmste vermuten – bereits vollzogen wurde und sowieso nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Die Ausstellung von Marianne Halter bewegt sich zwischen Wird-Geschehen und Ist-Passiert und lässt den Betrachter so in einem permanenten Status der Unsicherheit.

Die Ausstellung von Marianne Halter ist noch bis am 14. Februar öffentlich und kostenlos zugänglich. Öffnungszeiten: DO 17-20 Uhr, FR/SA 14-18 Uhr

Galerie Apropos, Sentimattstrasse 6, Luzern.