Immer stromabwärts

Kleintheater Luzern, 04.05.2016: «Der Weg der Lachse» feierte gestern im Kleintheater Premiere. Die Koproduktion von Zell:Stoff mit dem Kleintheater Luzern ist Teil des Innerschweizer Kulturprojekts «Sehnsucht». Entstanden ist eine kurzweilige Collage aus einzelnen Szenen über Aufbruch, Rückkehr, Heimweh, Sehnsucht und Determination. Von Pascal Zeder

Ein Naturschauspiel gibt dem Abend seinen Rahmen: Die Wanderung der Lachse. In der ersten Szene unterhalten sich ein alter, zum Sterben zurückgekehrter Lachs mit einem eben erst geschlüpften. Es geht um Sehnsucht. Sehnsucht nach dem weiten, metaphysischen Etwas, das sich Meer nennt. Es ist eingebrannt in die Augen des Alten und übt eine Faszination aus, derer man sich trotz offensichtlicher Gefahren nicht erwehren kann. Dieses Spiel der Fernweh und der Heimkehr wird zur Überschrift des Abends. Geschlossen wird mit Thees Uhlmanns Lied über das Nach-Hause-Kommen: «Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf.»

Zellstoff Lachse 2©Hoehn!

Zu dritt führen sie durch den Abend: Patric Gehrig, Adrian Furrer und Marie Gesien nehmen verschiedene – doch stets namenlose – Rollen ein. Es gibt keine kohärente Handlung, nur einzelne Bilder, einzelne Szenen, perlkettenartig aneinandergereiht. Trotzdem verläuft das Stück entlang eines roten Fadens, der durch Wiederaufnahme von Abschnitten oder Leitbildern erkennbar gemacht wird. Die übergreifenden Themen Fern- und Heimweh schimmern stets durch die Handlung, doch scheint der Text auch in die Tiefe zu zielen. Krankheit wird thematisiert, immer wieder taucht Pathologie als Schicksal auf: Als Aids-Diagnose, als Amnesie nach einem Verkehrsunfall, als Leukämie. «Denk daran: Du stirbst.» Manfred Lütz’ berühmtes Zitat taucht öfters in meinem Kopf auf. Man fühlt in diesen Szenen beinahe eine Resignation gegenüber der Determiniertheit eines Lebens. Die Rückkehr der Lachse zum Sterben ist unbedingt, die Zyklizität des Vorgangs «Leben» ist desillusionierend.

Zellstoff Lachse 3©Hoehn!

Dominik Buschs Text berührt. Er bewegt sich innerhalb einer Komik, die stets das Potenzial zur Umkehr hat. Am eindrücklichsten zeigt sich dies am Monolog über ein kühles Bier. Der unbedingte Wunsch nach dem Genuss wird durch den Umstand in Proportion gestellt, dass der Waldarbeiter (Patric Gehrig), dem es nach Bier gelüstet, unter einer gefällten Tanne liegt. Ein Verstärkungsmoment, in welchem makabre Komik zu finden ist. Regie führte Sophie Stierle. Die multimediale Inszenierung folgt dem Zell:Stoff-Konzept früherer Stücke, die Umsetzung gelingt auch in «Der Weg der Lachse». Die Spielereien mit vorproduzierten Videosequenzen, Parallelschaltungen zwischen Schauspiel und Bild oder Ton, alles wirkt sehr durchdacht. Darüber hinaus wirken die Szenen nie überladen, der Fokus bleibt trotz der grossen Leinwand, die das Bühnenbild ausmacht, sehr stark auf den drei Schauspielern. «Der Weg der Lachse» ist ein empfehlenswertes Stück Theater. Die Kurzweiligkeit, die durch den raschen Szenenwechsel und die Multimedialität entsteht, hält das ganze Stück durch an. Zell:Stoff hat eine weitere, sehr gelungene Inszenierung auf die Bühne gebracht, die sich selber in gewisser Weise treu bleibt und trotzdem dem übergeordneten Thema «Sehnsucht» Rechnung trägt. Äusserst sehenswert.  

Spiel: Patric Gehrig, Marie Gesien, Adrian Furrer; Text: Dominik Busch; Regie: Sophie Stierle; Video/Technik: Kevin Graber; Bühne/Kostüm: Saskya Germann; Produktionsleitung: Anette von Goumoëns; Koproduzent: Kleintheater Luzern  Aufführungen: MI 4. Mai (Premiere), FR 6. Mai und SA 7. Mai, 20 Uhr, Kleintheater Luzern. Tickets: www.kleintheater.ch