Immer schön aneinander vorbei

«041 – Das Kulturmagazin» lud zur Debatte über Alternativkultur in Luzern und viele kamen: VertreterInnen der Stadt, der etablierten Häuser und – erfreulich zahlreich – der Alternativkultur. Geredet wurde viel und vor allem aneinander vorbei.

(Von Tiziana Bonetti und Pablo Haller (Ergänzungen))

Was Moderator Remo Gödl zu Anfang der Diskussion vermutet hatte, war prompt eingetreten: Nach viereinhalb Jahren Diskurs über die Alternativkultur ist man zu keinem zufriedenstellenden Konsens gelangt und auch in der gestrigen Diskussion kam man nicht wirklich vorwärts. Es wurde zwar viel – darunter auch viel Schlaues – geredet, aber meist eher, um Standpunkte zu markieren. Eine der Ausnahmen: Als der Kulturveranstalter Orpheo Carcano zum Schlusswort ausholte, und auch mit Selbstkritik der Szene nicht sparte, konnte man feststellen, dass das Reden was gebracht hat. Der neue Stadtpräsident Stefan Roth machte an seinem ersten öffentlichen Auftritt eine nicht unbedingt glückliche Figur. Eine einzige menschliche Aussage hätte wahrscheinlich viel geholfen. Leider aber ratterte er vornehmlich Floskeln runter. Später erhielt Roth von Sam Pirelli einen Kaktus überreicht. Er (Pirelli) sei von der Wüste (Luzern Land) in eine Oase (Stadt Luzern) gekommen und sei jetzt (dank der städtischen Politik) wieder zurück in der Wüste.

In der ersten Runde der Diskussion brachte jeder der fünf eingeladenen Gäste seinen Standpunkt in Bezug auf die Alternativkultur zur Rede. Armin Meienberg, Präsident der IG-Kultur, postulierte, dass zuerst einmal eine Begriffsdefinition für Alternativkultur gefunden werden muss, bevor die Diskussion überhaupt lanciert werden kann. Auf die Frage, was der Alternativszene in Luzern fehle, kam Meienberg auf das altbekannte Problem der mangelnden Räume für den künstlerischen beziehungsweise alternativen Bereich in Luzern zu sprechen. Zudem war er der Ansicht, dass der Kulturkompromiss nicht mehr gültig sei. Nicht zuletzt, weil wir im Zeitalter der Kulturmanager leben, die das kulturelle Angebot leiten. Laien hätten da nicht mehr viel mitzumischen und zu entgegnen. Er fordere aber auch die Alternativen dazu auf, kämpferisch zu bleiben und sich zusammenzutun. Auf die Frage Gödls, ob es stimme, dass Stefan Roth, der Finanzdirektor der Stadt Luzern, sich nicht sonderlich mit der Frage der Kulturförderung auseinandergesetzt habe, gab dieser offen zu, dass die Kulturpolitik nie in den Mittelpunkt seines Interessensgebietes gerückt war. Max Bühler, Grossstadtrat der Juso, verkündete ebenfalls das Raumproblem, plädierte aber dafür, dass nicht der Geldmangel das eigentliche Problem der Alternativszene sei, sondern die von der Stadt ausgesandten Signale, die den Alternativen verlautbaren, dass sie unerwünscht seien. Nicht selten wurde gestern von «aktiver Verdrängung» der Alternativkultur aus der Stadt gesprochen. Viel Kritik von Seiten des Publikums musste auch Stadtplaner Ruedi Frischknecht einstecken, der sich aber gar nicht so schlecht schlug. Voten, dass eine Stadtplanung nicht stattfinde, fanden spontanen Applaus. Frischknecht wies darauf hin, dass man oftmals demokratische Entscheide umsetzen müsse, und liess seine Enttäuschung über die Ablehnung der Starken Stadtregion durchblicken, mit der solche Probleme leichter anzugehen gewesen wären. Auf die Frage, was an der Industriestrasse möglich sei, was an anderen Orten nicht möglich sei, antwortete Orpheo Carcano, dieser Ort sei einmalig, der letzte Ort in der Stadt, wo man «alternativ» leben, arbeiten, veranstalten könne. Wie früher in der Boa, die mit viel flacheren Strukturen gearbeitet habe als heute der Südpol. Sei man oft dort gewesen, hätte man mitarbeiten, mitbestimmen können. Nun wandere die Szene ab nach Emmenbrücke, was andere Probleme mit sich bringe. Beispielsweise könne man beim Fuka-Fonds nur als Stadtluzerner Veranstalter eingeben. Draussen wurde engagiert weiterdiskutiert. Wahrscheinlich hat das Reden tatsächlich was gebracht. Die Szene wird sich vermehrt auf dem politischen Weg wehren, der Stadtpräsident, der durchaus ein empathischer Mensch ist, wurde für kulturpolitische Anliegen sensibilisiert. Und wer weiss, vielleicht geht bald wirklich was.