Im Dschungel verloren

Luzerner Theater, 08.02.2020: Es ist eine (fast) ausschliessliche Luzerner Produktion: «Dschungel» feierte am Samstag im Luzerner Theater Premiere. Manuel Rengglis «Brass-Oper» konnte die hohen Erwartungen nicht ganz erfüllen.

Bilder: Ingo Höhn

Im Orchestergraben sass die Brassband Bürgermusik Luzern, dirigiert von Michael Bach. Die Bühnengestaltung stammt vom Luzerner Sipho Mabona, das Personal auf der Bühne setzte sich mehrheitlich aus dem hauseigenen Theater-Ensemble zusammen. Und die Musik steuerte der Luzerner Manuel Renggli bei, der sich damit nicht nur zum ersten Mal als Musiktheaterkomponist versucht, sondern auch noch als Weltpremiere eine «Brass-Oper» vorlegt.

Nur die Vorlage zu «Dschungel» stammt vom Berner Michael Fehr, Träger des Schweizer Literaturpreises 2018. Fehr bezeichnet sich als Erzähler, sein «Dschungel» ist sprechendes Beispiel: Das Fabulieren steht im Mittelpunkt, ein modernes Märchen, eine Parabel zwischen Grossstadtelend und Dschungelvernichtung, die er in poetischen Bildern erzählt.

Dschungel im Luzerner Theater

Das auf der Strasse lebende Mädchen Brahma, von ihrer alkoholsüchtigen Mutter Raja vernachlässigt, schnappt sich eine Hand voll Pillen und versinkt in eine Welt, in der Realität und Halluzination verwischen. Sie begegnet Ratten, Affen, einer Schlange, Ameisen oder einem Panter. Es ist ein Plot mit kraftvoll farbenreichen Bildern, erzählt in einem eigenen Sprachduktus, zu dem Rhythmus und gezielte Redundanzen gehören.

Aber es ist kein Libretto, welches durch den Abend trägt: Keine Dramatik, keine Auseinandersetzung oder Dialoge von Kontrahent*innen, keine Entwicklung der Figur(en). Es sind vorwiegend innere Bilder und Empfindungen des traurigen Mädchens, sinngebend mit einer Schauspielerin besetzt (Ina Langensand). Und sie werden erzählt – vom fulminant agierenden Schauspieler Walter Sigi Arnold.

Dschungel im Luzerner Theater

Getragen wird die Szene von abstrakten Origami-Objekten Sipho Mabonas, berauschende Bilder voller Farben (Licht: Clemenz Gorzella). Und die Musik? Eigentlich sollte sie eine eigene Dimension entwickeln, welche die Traumvisionen mit Farbe, Dramatik oder elegischen «Melodien» füllt. Doch davon ist wenig zu spüren: harmonische Verarbeitung, Ausloten der Brass-Instrumente oder rhythmische Diversifikationen – Fehlanzeige.

Die Musik, getragen von sich unendlich wiederholenden, gleichartigen Patterns, plätschert dahin. Veränderungen wie die jazzigen Synkopen beim Affentanz oder die triumphale Steigerung am Schluss bilden die Ausnahme. Die mehrheitlich aus Laien bestehende Bürgermusik spielt unter dem versierten Dirigat von Michael Bach gut, wirklich entfalten aber kann sie sich nicht.

Dschungel im Luzerner Theater

Regisseur Tom Ryser gelingt zusammen mit dem exzellenten Ensemble das Kunststück, das Publikum trotzdem bei der Stange zu halten. Das Changieren zwischen Ernsthaftigkeit und Slapstick ist gekonnt, so dass auch das singende und agierende Personal gut geführt sein Bestes gibt.

Da ist Hubert Wild als «Gefiederter Mensch», der virtuos zwischen Countertenor-Stimme und Bariton wechselt, die expressive Rebecca Krynski Cox als besoffene Raja und Diana Schnürpel als Schlange Atlanta, die mit ihren Perlen-Koloraturen schmerzlich daran erinnert, wie grossartig ihre «Königin der Nacht» ist. Ein Abend, der Spass macht zu sehen. Aber zu hören?

Dschungel
Bis FR 3. April
Luzerner Theater