I swing a chicken three times around my head

Gewerbehalle, MI 12.3.2014: Wenn es nach Geoff Berner geht, ist das die Anleitung um alle seine Sünden auf einmal los zu werden. Ein skurrile Idee, die in der Gewerbehalle im Rahmen eines Ostkost-Konzerts auf grosse Zustimmung stiess und den Gügeliverkauf in der Migros am Donnerstag womöglich in die Höhe trieb.

Egal. Manchmal muss man irgendwie beginnen, um seine Fassungslosigkeit bündeln zu können. Schon knapp zu spät (oder rechtzeitig?) eingetroffen, hat sich der Autor noch schnell ein erstes Bier geschnappt und musste gleich feststellen, dass dieser Typ ohne Haare auf der Bühne nicht sein erstes in der Hand hatte. Zu sagen, dass man den von der Bühne ausgehenden Alkoholpegel im Publikum riechen konnte, wäre zwar bisschen vermessen, aber gegen Ende des Konzertes ein offensichtliches Szenario. Aber mal der Reihe nach. In der Gewerbehalle trafen zwei Musiker aufeinander, die man vielleicht sogar in Himmel und Hölle einteilen könnte. Sicherlich in etwas Gegensätzliches, das sich den ganzen Abend versuchte gegenseitig zu unterstützen um sich im selben Moment auch wieder auseinander zu stürzen. Auf der einen Seite (vom Betrachter links) stand der Mann ohne Haare: Geoff Berner. Seinerseits bekennender Jude aus Kanada, genauer aus Vancouver, British Columbia. Ausrüstung: Whiskey, Whiskey, Whiskey, ein paar Bier und sein Akkordeon. Daneben, in der Haltung adretter als sein Gegenüber, Corb Lund. Ebenfalls ein Export aus der kanadischen Prärie. Ihm genügte sein Bier, trank sogar billigen Bourbon (den Geoff Berner widerwillig ablehnte) und spielte auf der Gitarre. Der eine eher in der Gestalt, die man kurz vor dem Tod auf dem Sofa in der Vorhölle trifft, der andere wäre nur schon rein optisch prädestiniert für Hollywoodleinwände. Aber beide machen Musik, und das mit einem unscheinbar hohen Unterhaltungswert.

War das eigentlich ein Konzert? Diese Frage stellte sich oft und auch so manche und mancher der rund 30 Leute in der Gewerbehalle. Die Antwort ist eigentlich unwichtig. Es war mehr oder weniger als ein Konzert. Es war ein abendfüllendes Unterhaltungsprogramm mit viel Nonsens, Witz, Ironie und Sarkasmus bis zum geht nicht mehr, verfeinert mit guter Musik. Aber vor allem war es eine grandioser Geschichtenabend zum mitschmunzeln. Feuchtfröhlich erzählte überwiegend der mehr als angeheiterte Geoff Berner irrwitzige Versatzstücke aus seinem Leben, seiner Bühnenerfahrung und seiner allgemeinen Einstellung gegenüber der Welt. Nicht selten aus der Sicht des Juden. Betrunken, dreckig, politisch und voller Leidenschaft; diese Worte gehören zu den wichtigsten Attributen eines Berner-Auftritts. Dies zeigte sich in der Bühnenpräsenz ebenso wie in der Musik und den narrativen Text über 20-Dollar-Pferde und Prostituierte, über eine halbdeutsche Exfreundin, jüdische Ferienerlebnisse und eine virtuose Begründung, wieso man nach einer gewissen Zeit auf Whiskey switchen muss, wenn man den ganzen Abend Bier gesoffen hat. Sein leicht im Schlepptau agierendes Bühnenpendant, Mister Corb Lund schien schon länger mit dem extrovertierten Berner unterwegs zu sein und zog sein doch eher gemütliches Americana-Folk-Singer-Songwriter Setting halbwegs konsequent durch. Mindestens am Anfang. Der erste Konzertteil, ohne abgesprochenes Konzept oder Ablaufprogramm, hielt den Zynismus und die Ironie in einer überdimensionierten Waagschale und schüttelte diese wahllose Hin und Her. Geoff Bernern leitete die teils eingängigen Lund-Songs gekonnt mit überbordenden Anekdoten ein und liess es sich nicht nehmen, während der Musik zusätzliche Zwischenrufe und Statments zum Gesungenen abzugeben.

Weniger Biss nach der Pause? Denkste! Tatsächlich gab es eine kurze Pause. (das Glas muss ja stets voll sein). Die ersten zwei Songs waren das pure Gegenteil vom ersten Set und liessen die Hoffnung auf ein weiteres Fortführen der angestrebten Bissigkeit in den Songs leicht verflattern. Aber nur bis zum Song Dalloy Polizei. Wahrscheinlich schon eine Legende in Berners Bühnenprogramm wurde dieser Song an die St. Galler Polizei und deren angebliche Korruption im Vorfeld des Dienstagkonzerts in der Buena Onda gewidmet. Fuck the Police zu schreien wurde das Publikum genötigt, sonst wäre man, laut Berner und in Anlehnung an die Fussballstadiongesangsatmosphäre ein Antisemit. Es folgten weitere Kuriositäten aus dem kanadischen Nähkastchen, unter anderem die eingangs erwähnte Anleitung um seine Sünden schnellstmöglich loszuwerden (Achtung! Kein Gummihuhn verwenden, sonst funktioniert es nicht!) oder eine abgrundtiefe Erörterung über Leute, die süchtig nach Kühen sind. Und von Corb Lund (ja, der war die ganze Zeit brav auf seiner rechten Seite) lernte man, wieso es mehr als sinnvoll ist, wenn man eine Bibel auf dem Armaturenbrett mitführt. Hilft gegen allerlei Polizisten und Grenzwächter. So sagt man. Der Rest war wieder ein Fülle von jüdischen Drinkingsongs und Weisheiten, die das leben vielleicht nicht unbedingt lebenswerter machen, aber sicherlich umso interessanter. Fazit des Abends: Die Juden kamen ihr Fett weg, die Christen mussten untendurch, die Polizisten mag niemand, Kühe sind super, Fächer braucht man immer und überall und Staubsauger stehen auf Kriegsfuss mit den Feministinnen. Ob das alles Sinn machen muss, fragte Geoff Bernern sogar selbst auf der Bühne. Die Antwort blieben die Musiker sowie das Publikum schuldig. Und das ist auch gut so. Jedenfalls wurde enorm viel gelacht und eine gehörige Portion Nonsens getankt. Gerne wieder. Komm uns wieder besuchen!  

Zieht euch ein paar Songs rein: Geoff Berner ­– Luck Exile Geoff Berner – Dalloy Polizei Geoff Berner – Whiskey Rabbi Corb Lund – Dig Gravedigger Dig Corb Lund – Bible On The Dash