Huere Geil – De Kutti MC im Südpol

Im gut besuchten Südpol gastierte gestern Kutti MC und beglückte die Besucher mit Songs aus seinem neuen Album «Sunne». Musikalisch begleitet wurde seine Show vom Berner/Berliner Konglomerat mit dem sinnigen Namen One Shot Orchestra. Dieses Konzert vermochte zu begeistern. Doch Jürg Halter alias Kutti MC ist mehr als ein Musiker, Rapper und Entertainer. Er ist jemand, der seiner Schaffenskraft eine Metaebene verschaffen kann, die der Schweizer Popmusik gut tut. Da kann man getrost subjektiven Ballast wie, gefällt mir seine Musik, über Bord werfen und über Schweizer Popmusik und Schweizerdeutsch reflektieren beginnen.

Es ist doch immer wieder schön, im Ausland Schweizerdeutsch zu reden und niemand versteht ein Wort. In den meisten Fällen werden wir dann als Holländer oder Skandinavier eingeschätzt. Und die Deutschen meinen immer noch, dass Emil anno dazumal auf den deutschen Bühnen Schweizerdeutsch sprach. Da haben wir also unsere schöne Geheimsprache, unterteilt in hunderte Mundartarten. Die Krux beginnt, wenn mit dem Schweizerdeutsch ein künstlerischer Schaffensakt vollbracht werden will. Da werden die Grenzen unserer Sprache offensichtlich. Hier einige Beispiele: Wollen wir romantisch sein, klingt das, als würde ein Hypersensibler, der noch nie Sex hatte, eine Jörg-Schneider-Dialektfassung von Lady Chatterley runterleiern. Zum Davonlaufen. Wollen wir böse sein, tönt es als würde Frick (Gilles Tschudi in «Lüthi & Blanc») wieder auf hinterfotzige Art und Weise Intrigieren und «herumfurwärche» (Schreibt man das so? Scheissegal, gibt ja keine Regeln). Überschwängliches Glück wird zur affektierten Farce. Wollen wir cool sein, müssen wir Kuno Lauener fragen, der weiss wie das halbwegs geht. Gefühle mit der grossen Kelle anrichten? Resultat: klebriges Pathos. Vielleicht klappt es nicht, weil wir Mundart sprechen, aber nicht Mundart «spielen» können. Sobald wir mehr sein wollen, als wir sind, geht der Schuss nach hinten los. Oder anders gesagt: Unsere Sprache ist eine mündliche Sprache, mit der wir verbal unseren Alltag meistern. Vielleicht ist das der Grund, wieso wir Mühe bekunden, unsere Sprache aus der Banalität zu befreien und sie in einen künstlerischen Kontext zu stellen. Ihr könnt euch in etwa denken, wie es weitergeht. Genau. Es gibt einen Jünger aus Bern, der sich dieser Problematik annimmt. Kutti MC singt, respektive rappt, in seinen Songs in Mundart und verpackt diese in ein Popkostüm. Hiphop in Schweizerdeutsch wird erfahrungsgemäss durchgewinkt. Mundart und Popmusik? Stirnrunzeln. Darf man das als Schweizer Poetry- und Hiphop-Koryphäe? Man darf, man muss. «Isch das no Rap, ich weiss nid, ich tue mich nid definiere», singt Kutti MC gestern in einer Zeile.

Doch halblang. Ein grosser Anteil, dass das Abenteuer Mundartpop funktioniert, hat das One Shot Orchestra. Es knüpft für Kutti MC einen zeitgenössischen, eingängigen Popsound, dem es auch an der nötigen Weirdness nicht fehlt. Und so schafft er mit seinen neuen Songs einen Weg raus aus dem Genre, rein ins Popallerlei, ohne sich in der Sackgasse Züri West zu verirren. Und dass hier zusammengehört, was zusammengehört, konnte man an den Gesichtern der Musiker ablesen. Beim zweiten Auftritt ihrer Schweizer Tournee lief der Töff. Waren die ersten beiden Alben von Kutti eher plastisch und steril produziert, klingt es nun wärmer und organischer. Future Funk könnte man diesen Sound nennen. Harte, tighte Beats, die vom Bass geschmeidig unter die Melodiebögen verwoben werden. Die Musik und die Songtexte operieren fast auf Augenhöhe. Aber eben nur fast. Kutti MC ist einfach ein verdammt guter Texter. Ein Wortakrobat, der textlich jedem Stolperstein ausweichen kann. Nun ja, manchmal klingt das auch ein bisschen bemüht. Und das ist das Seltsame: Bemüht oder gestelzt klingt Mundart besser, als wenn sie um Authentizität bemüht ist. Kutti benutzt eine Sprache, die lyrisch über dem Alltäglichen schwingt. Er bebildert weniger, als dass er Bilder schafft, die seine subjektive Wahrnehmung der Realität widerspiegeln. Und immer schwingt diese Melancholie mit. Am schönsten kommt das während des Konzerts in seinen Freestyles zum tragen, die er zwischen seine Songs setzt. Dann wird aus Luzern die Stadt am Abgrund, die mehr sein will als sie ist. Was man nicht absprechen kann, in unserem Dasein zwischen Bern und Zürich. Den Bernern ist es egal, was man über sie denkt und die Zürcher denken erst gar nicht nach, was Luzerner oder Berner über sie denken. Brüskiert über diese Meinung von Kutti MC muss man nicht sein. Er ist ein ironischer Alternativ-Motherfucker, der mithilft, die subventionierte Schweizer Kulturlandschaft zu melken und seine Tournee unbeiirt weiter von Kulturzentrum zu Kulturzentrum führt. Die Ironie an der Geschichte: Kutti MC ist sich seiner Einzigartigkeit in der Schweizer Musiklandschaft bewusst.