How odd, how odd

Alpineum Produzentengalerie, 16.12.2013: Ein exklusiver Gast beehrt Luzern mit einem animierten Videofilm, begleitet von einer musikalischen Live-Performance. Alexis Gideon zeigt mit Video Musics III: Floating Oceans eine Multimedia-Show, die sich als fantastische Geschichte in den Kopf hinein brennt.

Da staunt man nicht schlecht, als der Name Alexis Gideon im Zusammenhang mit einem Luzerner Offspace Kunstraum fällt. Einen Auftritt Mitten in Luzern? In einer kleinen Kunstgalerie? Der sonst durch allerhand nordamerikanische Kunstmuseen, mitunter das renommierte New Museum of Contemporary Art Manhatten, und europäische Städte (gestern in Metz, morgen in Montpellier) tourende Alexis Gideon hat sogar eigenständig beim Alpineum für einen Auftritt nachgefragt.

Das erste und bisher letzte Mal trat der Multimedial- und Performancekünstler vor drei Jahren im Südpol bei einem Konzert mit der französischen Experimental/Math-Rock Band Chevreuil auf. Der aus New York stammende Alexis Gideon gab innerhalb der aktuellen Ausstellung Corpus Delicti in der Alpineum Produzentengalerie ein 40-minütiges Set an variabler Live-Vertonung eines eigenständig erarbeiteten Animationsfilms wieder. Die epische Performance mit dem Titel Video Musics III: Floating Oceans basiert auf einer modernen Interpretation des literarischen Werks des irischen Schriftstellers Edward John Moreton Drax Plunkett, 18. Baron of Dunsany, kurz Lord Dunsany genannt. Dieser war ein begeisterter Kurzgeschichtenschreiberling mit Hang zu fantastischen, mythologischen und zuweilen grottesken Themen. Verdrahtet werden Dunsanys romantische Erzählungen mit den inhaltlichen Gedanken von An Experiment with Time, einem pseudo-wissenschaftlichen Traktat von John William Dunne – ebenfalls Ire – über die menschliche Auseinandersetzung mit Zeit und dem existenziellen Bewusstsein ihr gegenüber.

Episch, Ballade, Geschichte, Stuktur Alexis Gideon seinerseits transformiert die literarische Basis von Dunsany und Dunne zu einer eigenständigen, lyrisch-philosophischen und hochkomplexen Stop-Motion Mischung aus Zeichnung und Knetmassenfigürchen. Der detailverliebte Kurzfilm, ausgestattet mit englischen Untertiteln – die als schlecht angepriesenen deutschen Untertitel wurden vom Publikum per Misstrauensvotum ausrangiert – und einem formalen Aufbau mit Prolog, Hauptgesichte und Epilog, zieht sich wie eine Geschichte als animierte Version einer Operette über die leider etwas unscharf eingestellte Leinwand. Gideon synchronisiert simultan mittels Sprechgesang (er wäre ein würdiger Nachfolger von Adam MCA Yauch, zumindest was die Tonlage und Schnelligkeit betrifft) und Stimmenverzerrer die einzelnen Charakteren und die Erzählstimme, spielt mit einer merkwürdig minimalistischen Gitarre schräge Töne, entlockt dem Loopgerät allerlei an Geräuschen und erzeugt teilweise eine liturgische Atmosphäre. Das generelle Problem das sich aus der vielsphärischen Performance herauskristallisierte: Folgt man nun den animierten Bildern, dem gesungen Text oder gar nur der Musik? Eine nicht leichte Entscheidung, zumal die Geschichte über sechs Protagonisten an einer Tafelrunde, die sich wiederrum abstruse Geschichten auftischten, keinerlei roten Faden erkennen liest. Obschon überzeugt dass ein tieferen Sinn und bedeutungsvolle Zusammenhänge innerhalb von Video Musics III: Floating Oceans vorherrschen mag, man müsste es sich noch ein paar Mal zur Gemüte führen. Es handelt sich übrigens wie im Titel bereits angedeutet, um die dritte Performance innerhalb der Serie Video Music, die sich der Inszenierung von anthroposophischen Ritualen und Mythologien durch moderne Techniken widmet. Erinnernd an die fünfteilige Kunstfilmzyklen Cremaster des zeitgenössischen, amerikanischen Medienkünstlers Matthew Barney, existiert in Gideons Werken ein ästhetisches System, das mittels interdisziplinären Wiedergabe durch Musik, Bild und Wort ein durchaus authentisch-wirkendes und zugleich träumerisches Gesamtkunstwerk ergibt.