Hipp, hipp, hurra!

Konzerthaus Schüür, 07.10.2017: Hip & Hiesig nennt die Schüür ihre neue Eventreihe, und die startet gleich mit einem Knüller: Rio, Yser und David Koch an einem Abend. Ob dieses Dreierpack für ähnliche Verzückung sorgte wie das 5:2 der Schweiz gegen Ungarn?

Von Silvan Schmid & Stoph Ruckli

Mit der Reihe Hip & Hiesig startet die Schüür eine neue Plattform fürs Luzerner Musikschaffen. Hip – als Wort zwar out – heisst hier: aktuell, hochkarätig, und mit «Geheimtipp»-Charakter. Pünktlich zum Abpfiff des WM-Qualifikationsspiels, das im Schüür-Konzertsaal übertragen wurde, galt im Erdgeschoss Anstoss für die Acts Yser, Rio und David Koch: Trio, Duo, Solo – drei, zwei, eins, los!

Yser bestehen aus Gregory Schärer (b, synth), Jeremy Sigrist (g) und Nick Furrer (dr, synth). Nach eineinhalbjährigem Bestehen gibt’s inzwischen eine EP und eine Single online zu hören. «Piece Of Me» heisst letztere und läutet an diesem Abend die Yser-Reise ein. Das auditive Universum der drei Musiker besteht aus rollenden Schlagzeuggrooves, Delay-verhangenen Gitarrenriffs und geerdeten Basslinien. Die Stimme vom begnadet-genialen Gitarristen Sigrist im melodischen Flüsterton wird teils gedoppelt von Furrer, welcher zusätzlich das Drumpad bediente und wie Schärer auch mal an den Synthesizer wechselt. Das fügt sich zusammen zu einer klaren, abgestimmten und ausgefeilten Wolke. Die Songs wirken kahl geschoren, auf das reduziert, was es braucht, um Zauber zu erzeugen.

Und so nimmt der Sound seinen Lauf: eine Funky-Bassline geht zu einem Surf-Rock-Riff über, dann folgt ein Reggae-Groove und schliesslich die Steigerung zum vertrackten Hip-Hop-Beat. Das alles ist nicht nachgespielt, sondern ausgecheckt und zusammengepuzzelt, resultierend aus Know-How und Erfahrung. Kein Wunder, tragen die drei Musiker doch so einige Referenzen zusammen: Hanreti, Alvin Zealot, Weekend Phantom, Haubi Songs, Morlocks, Tin Shelter Crew, Faber, JOSH lauten Namen, wo Sigrist, Furrer und Schärer unter anderem schon mitgespielt haben. Alles in allem sind Yser energiemässig manchmal ein wenig gar gechillt, verfehlen aber ihre Wirkung nicht. Höchstens dann, wenn dieser endsnervige Synthesizer ins Spiel kommt und den Bass ersetzt, wird die Geschichte gar zuckrig und musig. Trotzdem: Diese Band muss Luzern auf dem Radar haben.

Yser

Dann spielen Rio. Und mensch fragt sich: Ist der Name aus einem simplen Wortspiel seines Schöpfers, Mario Hänni entstanden? Der Aargauer macht auf jeden Fall vieles richtig. Mit seinem Bruder David an Bord – Familienband olé – formen die beiden Musiker ein nahezu unschlagbares Duo, das sich zu 90% blind versteht. Und wenn mal was danebengeht, funktionieren immer noch der gute alte Blickkontakt sowie eine gigantische Menge Sympathie. Die Musik ist Indie-Pop, gespickt mit Einflüssen aus Hännis Tätigkeit in der Impro-Jazz-Welt (unbedingt das Trio Heinz Herbert auschecken), dazu kommt eine gute Portion Neil Young, Kurt Vile, Blur oder Thom Yorke. Von letzteren beiden spielte das Brüderpaar zudem je ein Cover. Das alles kumuliert in klaren Soundideen und einem abwechslungsreichen Set, welches die Gebrüder Hänni souverän in die Herzen des Publikums steuern. Auch wenn bei diesem manchmal ein paar Gähner erblickt werden, blieben Hänni-Hänni an diesem Abend doch stellenweise gar grümschelig.

Und: So schön die Melodien von Rio sind, so trancig der Ansatz, so intim das Dargebotene: Am meisten Energie generiert diese Band dann, wenn Mario Hänni hinter dem Schlagzeug hockt. Die Kombi aus Rhythmus und Harmonie funktioniert hier einfach am besten. Dann strahlt und tanzt auch die Zuhörerschaft mit. Welche übrigens überraschend aufmerksam ist: Sogar bei der Zugabe verstummten die Gäste und lauschten noch einmal gebannt den Gitarrenlinien des begnadet-guten Mario Hänni.

Rio

«Was klingt wie ein Berliner Modelabel, ist in Wirklichkeit eine Plattform für lokales Musikschaffen, aber auch Treffpunkt für Musikliebhaberinnen und -liebhaber» benennt die Schüür ihr neues Label. Nun, mit Nick Furrer und David Koch hat sie immerhin zwei Wahlberliner in ihren Reihen. Und letzterer ist gerade in der Welt der Gitarren und Elektronik besonders hip – und irgendwie immer hiesig geblieben. Da tritt dieser Mann auf die Bühne, ein einfaches Hallo, ein herziges «Ich habe die ganze Woche geübt» – und bläst dann mal rasch das Schüür-Publikum ohne Stopp durch’s Erdgeschoss.

Stimmlich irgendwo zwischen Alt-J-Joe Newman und Fleet-Foxes-Robin Pecknold angesiedelt, arbeitet sich Koch souverän durch ein spannendes Set an Soundideen. Trotz viel Noise und Effektlastigkeit sind die Bögen klar und verständlich. Seine Working-Band The Great Harry Hillman feierte vor einer Woche im Neubad ihre neue Platte «Tilt». Darauf ist ein Stück von Koch namens «The New Fragrance» zu hören, dessen unverkennbares Gitarrenriff auch in seinem Soloprogramm aufblitzt. Nichts Verbotenes, es zeugt von der Qualität der Komposition und Interpretation, dass der Song in beiden Formationen funktioniert.
Neben ihm ein Tisch, Korg MS-20, die treue Fender Jaguar und eine Vielzahl an Pedals, oftmals selbst gebaut: Koch amtet gar als Erfinder des Berlin Bounce, einem Sidechain-Compressor. Dazu aber besser mehr in einem Gitarrenheft. Nach einer knappen halben Stunde ist der Zauber schon wieder vorbei; Koch begeisterte die Zuhörerschaft wie die Schweizer Nati gegen Ungarn. Nur hatte diese im Gegensatz zum Gitarristen bereits mehr als gerade einmal zwei Heimspiele.

DavidKoch

Das war er also, der Auftakt der neuen Reihe Hip & Hiesig in der Schüür. Beim zehnten Mal hören wird der Name dann hoffentlich noch symphatisch. Unabhängig davon ist bereits nach diesem Samstag am Konzept nichts auszusetzen – im Gegenteil: Mehr davon!