Hereinspaziert ins künstlerische Labyrinth

Rössligasse/Altstadt Luzern, 26.06.2015: Ein schwarzer Vorhang ziert den Eingang zur Rössligasse 12 in der Luzerner Altstadt. Das dahinter verborgene Reich ist normalerweise bekannt als Unterrichtsstätte für die Fachklasse Grafik der Hochschule Luzern. Momentan herrscht jedoch Ausnahmezustand: Es ist Jahresausstellung und die Räumlichkeiten werden zur Präsentationsstätte der verschiedenen Projekte der Studierenden.

Die Fachklasse Grafik Luzern lädt zur Jahresausstellung. Für diesen Zweck wurde aber nicht irgendein beliebiges Lokal angemietet. Nein, die eigenen Schulzimmer wurden den Tischen und Stühlen entleert, denn diese mussten den Projekten der Schüler weichen. Die Vernissage als Auftakt der insgesamt fünf Tage andauernden Ausstellung stellte sich als Festlichkeit im eher privateren Rahmen heraus. Man sah vor allem die Studierenden, deren Angehörige und natürlich einige der Dozierenden der Schule. Sonstige Schaulustige zog der schwarze Vorhang kaum ins Reich der grafischen Darstellung. Gibt es denn hier gar nichts zu sehen?

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Doch, das gibt es. Beim Verlassen des Innenhofs, welcher zur Zeit meiner Ankunft bereits rappelvoll war, fiel vor allem das Gewirr von Treppen und Gängen auf. Diese sollten mich zu den verschiedenen Ausstellungsräumen führen. Fasziniert folgte ich verschiedenen Pfeilen am Boden, welche mich scheinbar leiten sollten, aber teilweise sogar in Sackgassen führten. Es wunderte wohl keinen, dass hier kreative Köpfe die Schulbank drücken, denn von Gradlinigkeit hat es in diesen vier Wänden keine Spur. Fasziniert und leicht verwirrt – das bringt meinen Gemütszustand wohl am besten auf den Punkt. Aber genug von den Lokalitäten an sich; diese sind ja nicht der Hauptgrund der Veranstaltung. Es sind die Werke der Studierenden, welche das Publikum anlocken sollten. Bei der Begehung der Ausstellung stachen Plakate ins Auge, welche man auch an Luzerns Strassenrändern öfters sieht, zum Beispiel auch jene Grafik zu den Master-Abschlusskonzerten der HSLU Musik. Die verschiedenen Studiengänge der Hochschule arbeiten öfters zusammen. Auch andere im Raum Luzern sicher schon gesehene Veranstaltungsplakate wurden in der Jahresausstellung präsentiert, wodurch man sich allmählich erst bewusst wurde, woher all diese farbigen und einzigartigen Grafiken, welche unsere Stadt so schön verzieren, herstammen. Es wurden aber nicht nur Plakate präsentiert. Ein sehr besonderes Werk war die Abhandlung des Hinterns als omnipräsentes Medienbild. Die Arbeit trägt den gloriosen Namen «31 Blicke auf den Hintern». Allgemein zeigen die Projekte der Studierenden eine riesige Ideenvielfalt – hier sind eindeutig einfallsreiche Köpfe mit blühenden Fantasien am Werk.

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Aber wo waren diese Köpfe? Ich fühlte mich oft völlig verloren im Labyrinth von Gängen und Treppen, welche mich von Raum zu Raum führten, denn sie waren oft menschenleer. Ähnlich sah es in den Ausstellungsräumen selbst aus: Es war kaum jemand da, der oder die seine Arbeiten etwas genauer erklärt und vorgestellt hätte. Naja, vielleicht war ich zwei Stunden nach der Eröffnung des Abends etwas spät dran. An Besuchern hat es der Vernissage nämlich ganz und gar nicht gefehlt. Diese hatten sich im Innenhof zu Live-Musik zusammengefunden und das Labyrinth wahrscheinlich bereits gemeistert. Man schwatzte, lachte und diskutierte. Die ausgestellten Werke schienen aber nicht unbedingt das Hauptthema des Abends zu sein, es ging viel eher darum, sich gemütlich zusammenzusetzen und die entspannte Stimmung zu geniessen. Hochgestochene und überintellektuelle Gespräche? Für die gab es hier kaum Platz. Das war irgendwie auch das Schöne am ganzen Abend: Kunst muss nicht unbedingt etwas Elitäres und nur wenigen Zugängliches sein. Sie kann auch einfach ein Grund sein, sich an einem Freitagabend zu einem «Pläuschli» zu treffen und zwischendurch noch ein paar tolle, kreative Projekte des künstlerischen Nachwuchs von Luzern zu begutachten. Ein Abstecher in die Rössligasse 12 und ihr kleines Labyrinth an Räumen und Kunstwerken lohnt sich auf jeden Fall.

Die Jahresausstellung dauert noch bis am Dienstag, dem 30. Juni.