Harter Stoff

Kunstplattform akku, Emmenbrücke, 28.01.2018: Ein in Beton gegossenes Plüschtier empfängt zur Ausstellung von Klaudia Schifferle, geboren 1955 in Zürich und Anfang der Achtziger Sängerin und Bassistin von Kleenex. «Kleenex» – eine Band? Ein Zement-Haribo – eine «Skulptur»? Ja. Stilrichtung? Harter Stoff.

(Foto oben: Michelle Kohler)

Farblich wird der Raum von Malereien bestimmt. Genau genommen sind es mehr gegossene als gemalte Bilder. Sie bestehen aus Acryllack in verschiedenen Farben, der über die Leinwand ausgeflossen ist. Schifferle hat ein Flair für fliessende Techniken, für Farbverläufe und Klangsphären. Wie in der Visualisierung eines Musikstücks bewegen sich die einzelnen Farbschichten eruptiv, werden eng und plötzlich breit: Ein synthetisches Universum ineinander verschlungener Schichten, die sich nie ganz vermischen. Einzelne Farbtöne bilden hier ein Ganzes, ohne dass sie ihre Individualität in diesem auflösen müssen.

Das Giessen hat auch ein improvisierendes Moment. Es können abstrakte Muster oder spontan Figuren entstehen. Aber eigentlich wirken die meisten Bilder und Skulpturen wesenhaft. Erst recht, wenn die eine Leinwand lässig an die Wand lehnt oder die andere ein Paar Schuhe unter sich stehen hat. In der Tat handelt es sich um modisch recht expressive Charaktere. Etwa die «Paperdolls». Diese sind zwar weder Puppen noch aus Papier, sondern Ölgemälde, die aus Papier collagierte Modepuppen imitieren. Austauschbare Äusserlichkeiten sind hier in Öl verewigt. Pop und Improvisation, Beton und Plüsch – einige Verdrehungen verlangt einem dieser «Spaziergang im Übermorgen» jetzt schon ab.

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Klaudia Schifferle, Splash, 2016 sowie ohne Titel, 2015 und ohne Titel, 2017, alle Acryllack auf Leinwand, Ausstellungsansicht akku Kunstplattform

Werden die Acryllackbilder weiterhin mit vermenschlichendem Blick taxiert, erinnern sie auch an Innereien: An das Innere, in dem die verschiedensten Flüssigkeiten zirkulieren und zusammenlaufen. Die Skulpturen sind dagegen eindeutig als Ausgüsse von Hohlräumen zu erkennen, als Ausgüsse vom Innern einer genähten Hülle. Das betont ebenfalls eine «Innerlichkeit». Diese ist aber entblösst und ausgesetzt, wenn auch hart und verfestigt – was sich wohl gegenseitig bedingt.

Auffallend ist ausserdem die Stofflichkeit der Arbeiten: Die Mehrschichtigkeit der Acryllackbilder, die sichtbaren Säume der in Tuch gegossenen Skulpturen, die genähten Frauenfiguren. Einmal abgesehen vom Sujet der Mode, das direkt in den «Paperdolls» oder den Schuhen namens «Anarchoheels» umgesetzt ist. Vielleicht ist der Stoff eine Vorstellung, die gut auf Schifferles Schaffen passt: Als einem Schaffen, in dem sich Materielles intuitiv entfaltet.

Acrylfarbe, Mode, Innereien: Womit wir beim Trashigen angelangt wären. Nun ist es wieder eine Skulptur, die uns Richtung Emmenbrücke entlässt: Ein anderer «Haribo», zerknittert und glänzend schwarz lackiert, erinnert an einen Abfallsack. Bestimmt ein entsorgter, nicht mehr geliebter Plüschbar aus alten Tagen! Kleenex?

Die Ausstellung «Spaziergang im Übermorgen» in der Kunstplattform akku in Emmenbrücke ist noch bis am 25. März zu sehen.

Am DO 22. Februar, 18 Uhr, Spaziergang im Übermorgen mit Klaudia Schifferle und am DO 8. März, 20 Uhr, Sounds and Drinks mit dem Luzerner Duo 2henning. Weitere Details siehe Internet.

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Klaudia Schifferle, ohne Titel, 2012, Beton, Kunstharzlackfarbe, Unikatguss, 45 x 24 x 23 cm, Ausstellungsansicht akku Kunstplattform
Ausstellungsansicht
Ausstellungsansicht «Klaudia Schifferle. Spaziergang im Übermorgen», akku Kunstplattform, Foto: Michelle Kohler