Grrriot-Power im Gleis 5

Gleis 5, Malters, 19.05.2017: Magische Momente in Malters: Trotz Regentag und Lokalfest fand eine gute Handvoll Zuhörerinnen und Zuhörer den Weg ans Konzert der Schweizer-Burkinischen Band Amagong. Und diese enttäuschte nicht. Parallel zum Temperatursturz draussen gab's tropische Hitze drinnen.

Schweizer Wetterschauspiel: Nach einer anfänglich sommerlichen Woche folgte pünktlich aufs Wochenende der Temperatursturz um gefühlte 30 Grad. Von Süden gen Norden sozusagen. Diesen Weg reisten auch Sibiri «Dougoutigui» Diabaté (balafon, voc), Hassan Dembélé (g, voc) und Sidiki Paré (dr, voc). Die drei Musiker stammen aus Burkina Faso und treten zusammen mit den Schweizern Martin Müller (clo) und Willy Kouton (perc) unter dem Namen Amagong auf. Amagong ist so etwas wie die Fortsetzung des erfolgreichen Grand Orchestre National de Gondwana, kurz G.O.N.G., welches von Müller und Diabaté Mitte der Neunziger gegründet wurde. Was das ist? African Music at its best! 

Da kamen die fünf Herren aus den Tiefen des Restaurants Gleis 5 herbeigelaufen, hüpften schnurstracks auf die reichlich ausgerüstete Bühne und legten mit einem atemberaubenden Tempo los. Die Gäste sassen zu Beginn brav auf den Stühlen, doch davon liess sich gerade der waschechte Griot Sibiri «Dougoutigui» Diabaté nicht beirren. Sogleich begann er fleissig mit Animationsversuchen, die durchaus fruchteten. Ein lustiges Bild, stellvertretend für ein Land und eine Musikkultur, die sich gerade punkto Musikleidenschaft eine dicke Scheibe von den südländischen Kulturen abschneiden dürften. 

Amagong

Der Aufforderung von Perkussonist Kotoun, es dürfe gerne aufgestanden und getanzt werden, folgten denn auch immer mehr Zuhörerinnen und Zuhörer, des Weiteren wurde ordentlich mitgeklatscht und -genickt. Auf der Bühne brannte es zugleich, aberwitzige Kicks en masse, Groove, Terzen, Sexten, rasende Läufe auf dem chromatischen Balafon und und und. Lebensfreude! Wobei, so lebensfreudig war diese Musik dann doch nicht: Konträr zu den fröhlich wirkenden Klängen standen Texte, die äusserst gesellschaftskritisch waren. Lieder über schwangere Mädchen, die von ihren Männern verlassen werden, Tanzstücke zur Thematik Arm und Reich, eine Rede des sozialistischen Revolutionärs Thomas Sankara: Das vertonte Leben von Burkina Faso. Jener Kontrast und damit verbunden die politischen Statements gaben dem Konzert eine Kraft, wie sie eigentlich öfters auf den Bühnen stattfinden sollte. 

Amagong feat. Siebs

Nun standen bereits zu Beginn Personen im Raum, die sich gar nicht setzten, sondern von Beginn weg dem Konzert tanzend lauschten und so die Atmosphäre lockerten. Personen wie Manuel Siebs. Der ist nicht nur ein Mensch mit einer ausgeprägten Lebensfreude, sondern auch ein ehemaliger Schüler von Willy Kotoun, welcher wiederum HSLU-Dozent für Perkussion sowie das eigens von ihm entwickelte Fach «Körper & Rhythmik» ist, das partiell beim Militärspiel und in zahlreichen Musikschulen und Konservatorien unterrichtet wird. Da tanzte Siebs, der eigens mit seiner Verlobten aus Wil für das Konzert angereist war, also im Publikum, immer wieder gerufen von Diabaté: «Manu! Manu!». Und wurde in der Folge auf respektive vor die Bühne zum Mitmusizieren gebeten.

Amagong feat. Manuel Siebs

Siebs wird nicht umsonst als einer der besten Djembé-Spieler und überhaupt Afro-Perkussionisten des Landes bezeichnet, zumal der gebürtige St. Galler ein riesiges Netzwerk an afrikanischen Musikerinnen und Musikern in der Schweiz und auch in Afrika selbst pflegt. Als Kotoun für eine Amagong-Tour passen musste, sprang wer ein? Logischerweise Siebs. Und da stehen sie nun also beide, Kotoun und Siebs, Lehrer und Ex-Schüler, und liefern ein Highlight des Abends: Das Perkussionsbattle zwischen Siebs an der Djembé und Kotoun an den Timbales. Zwischen Show und Outside-Spielen, zwischen Kraft und Filigranität, zwischen Spass und Witzchen. 

Dass diese Band den Weg ins Gleis 5 in Malters gefunden hat, ist nicht nur ein Glücksfall für die Zentralschweiz, sondern auch eine Indiz für die gute Nasen vom Verein Kulturschiene Malters. Seit über zehn Jahren organisiert das Team um Krispin Brunner Kulturanlässe verschiedenster Art, stets spannend sowie innovativ. Demnächst folgt ein rarer Solo-Auftritt von Pink Spider, die an ihrer kommenden EP arbeitet, und die nächsten Gigs sind auch schon aufgegleist im Gleis 5. Zehn Minuten Zugfahrt von Luzern aus, 30 Sekunden Weg vom Bahnhof Malters zum Veranstaltungsrestaurant. Empfangen wird mit offenen Armen, es herrscht Freude und Neugier auf Austausch aller Art. Und wer den letzten Zug verpasst, muss sich nicht sorgen: Irgendwo im Gleis 5 sitzt bestimmt eine Jassrunde, die einen dann noch in die Stadt mitnimmt.