Grosses Kino

Südpol Luzern, 20.12.2014: Fünf Musikformationen vertonen zehn Ausschnitte berühmter Filme: Die Ausgangslage von «Sounds Like A Movie» klingt simpel, beinhaltet aber durchaus Tücken. Wie meisterten Evelinn Trouble, Doomenfels/Shinyman, Christy Doran, Roland Bucher & Noise Table und GeilerAsDu/Moskito diese Aufgabe?

Bereits zum siebten Mal findet «Sounds Like A Movie» statt. Die ersten Ausgaben fanden im Sedel statt. Danach ging’s über Bern (Dampfzentrale) und Zürich (Moods) sogar bis nach Paris ins Centre Culturel Suisse. Der Erfolg ergibt sich aus der simplen Formel Audio mal Visio: Man weist einer bestimmten Anzahl MusikerInnen Ausschnitte bekannter Filme zu und lässt sie diese vertonen. Dabei sitzen die KünstlerInnen mit dem Rücken zum Publikum, befinden sich sozusagen «im Film». Neu auch im Südpol. Schon abseits der Leinwand ein eindrückliches Bild: Die grosse Halle, praktisch bis zum letzten Sitzplatz ausgefüllt. Christy Doran, die Luzerner Versinnbildlichung des Avantgardegitarristen, vertonte «Le Grand Bleu» und «2001: A Space Odyssey». Gerade zu letzterem Werk mit seinen atemberaubenden Bildern passten Dorans Improklänge hervorragend. Einzigartige Geräusche und Bilder: Praktisch ein LSD-Trip ohne LSD. Oder erlebt man solche Szenarien auch auf anderen Drogen? Wenn ja, bitte in die Kommentarspalten schreiben; der Autor dankt.

Christy Doran

Doomenfels/Shinyman alias Dominic Oppliger/Vincent Glanzmann wählten andere Wege für ihre Soundtracks. In «Himmel über Berlin» ist Bruno Ganz nicht mehr der Engel Damiel, sondern ein Sicherheitsbeamter, welcher Werbung für seine Tätigkeit im Toni-Areal macht. Nicht zuletzt angesichts der dort kürzlich geschehenen Pannenserie der satirisch-lustigste Beitrag des Abends. Bei «Raging Bull» wurde für die blutige Finalszene zwischen Jake LaMotta (Robert De Niro) und Sugar Ray Robinson (Johnny Barnes) auf ein anderes Konzept gesetzt: Die Musiker performten eine abstrahierte Version von «Sloop John B», die sich zu einem wüsten Ausbruch entwickelte, welcher wiederum im Thema des Beach Boys-Klassikers endete. Glanzmann glänzte hierbei mit fantastischen Groover-Qualitäten. Wow! Musikkünstler Roland Bucher ging mit seinem Noise-Table «The Shining» und «The Tree of Life» an. In der ersten Szene verfolgen seine Klänge Danny Torrance (Danny Lloyd) auf seinem Dreirad, dargestellt mittels der ikonischen Steadicam-Szene. Motorengeräusche wechseln über in ein bedrohliches Brummen: Passend für einen Horrorfilm. Im zweiten Schnipsel wird hingegen die Schlusssequenz von Terrence Malicks vielschichtigem Epos thematisiert. Zahlreiche Geräusche vermischte Bucher hierbei zu einem berührenden Ganzen, welches mit der Bildgewalt so stark funktionierte, dass man völlig gebannt war. Denken? Nicht jetzt.

Geiler As Du

GeilerAsDu/Moskito sorgten beim Sergio Leone-Klassiker «The Good, The Bad and The Ugly» für eine Überraschung. Kein Spaghetti Western-Sample, keine dicken Drumspuren, nix Morricone-Reminiszenz. Beim ersten Teil blieben die eigentlichen Hauptakteure Luzi Rast und Mike Walker sogar im Hintergrund. Raphael Fluri alias Flew an den Reglern war stattdessen der Mann im Mittelpunkt. Er schaffte mit Synthiespuren und schlanken Beats eine atemberaubende Spannung in der finalen Szene zwischen den drei Meisterschützen, dem Blonden (Clint Eastwood), Sentenza (Lee Van Cleef) und Tuco (Eli Wallach). Kurz vor dem Platzen liessen die beiden Rapper ihre Power dann für die Hochzeitsszene von «The Graduate» mit Dustin Hoffmann raus. Das wirkte frisch und hatte Drive. Ein Highlight unter den vielen Highlights.

Evelinn

Für den eindrücklichsten Moment sollte aber Evelinn Trouble sorgen. Schon ihr Song zum Carpenter-Klassiker «Halloween» gefiel. Das düstere Einleitungsszenario, in welchem Michael Myers seine Schwester umbrachte, wurde mit einem tragisch-motivischen Stück unterlegt. Die Künstlerin ging von allen Musikern am wenigsten auf die Details ein, sondern schuf eine Gesamtstimmung. Auch eine Möglichkeit. Richtig eindringlich sollte diese Methode dann bei «Apocalypse Now» zur Geltung kommen. Zusammen mit Vincent Glanzmann wurde Musik zum Angriff der Amerikaner auf ein von Vietcong besetztes Dorf geboten. Die bildgewaltige Darstellung dessen in Kombination mit Troubles Stimme kumulierte in einem melancholischen Meisterwerk, welches zum Nachdenken anregte. Und zugleich Gänsehautfeeling auf der Klimax auslöste.

Gruppenfoto

Wie jeder gute Film kam auch der Abend zum Schluss. Der Südpol als persönlicher Startpunkt des hier schreibenden Autors für «Sounds Like A Movie» war eine gelungene Präsentationsfläche; mit der riesigen Leinwand war man sozusagen im Film drin. Toll! Gleichermassen gab es in der anschliessenden Diskussion im Publikum durchaus interessante Anmerkungen. Stellenweise hätte man auf mehr Details eingehen können. Auch wurde das interaktivere Sedel-Feeling mit reinschreienden Besuchern ein wenig vermisst. Weiter gilt die Frage, welche Szenen man pro Ausgabe untermalen lässt. Immer wieder die gleichen mit kleinerer Varianzquote oder jedes Mal neue? In der Gesamtheit unterhielt der Anlass auf jeden Fall grandios und macht sowohl Lust zum Musik hören als auch Filme schauen. Was will man mehr? Vielleicht diesen Ansatz verfolgen: Wenn man die versammelten Musiker nämlich so sah, hätte man sich durchaus noch eine gemeinsame Untermalung einer Sequenz gewünscht. Ein ultimatives Finale sozusagen: Grosses Kino.