Gipfeltreffen der Coverversionen

Netto vier Stunden Spielzeit – und das mit Coverversionen u.a. von AC/DC, Bon Jovi, Scorpions und Van Halen. Tönt anstrengend, war es auch. Die diesjährige Sedel-Jahreshitparade in der Schüür war über weite Strecken ein Krampf – mit einigen, jedoch rar gesähten, Highlights. Hier das Protokoll.

Mit einigen Minuten Verspätung, aber noch vor 22 Uhr, startete die Sedel-Celebration in der sich anfangs eher zögerlich füllenden Schüür – später war sie dann gerammelt voll. Was blieb: Ein paar gelungene, weil überraschende, Covers von Rockklassikern. Jedoch aber: Zu viel uninspirierter 1:1-Abklatsch derselbigen. Viele Langhaarperücken auf der Bühne und viel engagiertes Mitgegröle seitens des Publikums. Dieses blieb übrigens ansonsten den ganzen Abend merkwürdig verhalten. 1. Egohygiene vs. Somtek. «I love Rock'n'Roll» von Joan Jett and the Black Hearts: Zwei Laptops und dazugehöriges Allerlei: Ein zugegebenermassen gewagter, experimenteller Einstieg –durchaus tanzbar und auf der Höhe der Zeit. Leider viel zu lang. 2. Project Mud. «Lovin' You's A Dirty Job» von Ratt: Eine junge Combo aus dem Würzenbach, die den Grunge zelebriert. Viel Bass, angenehm unaufdringlich daherkommend – zuletzt aber wenig greifbar. Erstmals erschallt so etwas wie Applaus aus dem Publikum. 3. Basic Motor Skills. «Livin' On A Prayer» von Bon Jovi: Bekannt als schweisstreibende Ska-Band – davon war gestern nicht viel vorhanden. Der Gesang trug die Melodie zu wenig, so blieb es schwammig. Wie man Bon Jovi auch covern kann – hier von den Moped Lads: hier. Aber eigentlich sollte man Bon Jovi gar nicht covern. Die Originale sind bereits scheusslich genug. 4. The Unborn Chicken Voices. «I Want Action» von Poison: Der Moderator des Abends, Marco Liembd, warf sich in die bekannte Chicken-Uniform. Die Interpretation war gänzlich elektronisch. Nett anzusehen und ging gut ins Gehör und geschmeidig in die Beine. Eigentlich ganz OK – ihr versteht. 5. The Jules Winnfield Five. «American Nights» von Bonfire: Endlich: Das erste Highlight. Unterstützt durch die Stimme von Nicole Kammermann wurde uns da eine satte und durchwegs überzeugende Version von «American Nights» um die Ohren geschmissen. 6. Easy Tiger. «Carrie» von Europe: Der Song plätscherte dahin, die Interpretation leider etwas ideenlos, wenn auch solid vorgetragen. So blieb einem wenigstens mal Zeit, die Toilette aufzusuchen. 7. Fetus Fetish. «Fear Of The Dark» von Iron Maiden: Das nenn ich eine Überraschung – und die braucht es doch an einem solchen Abend. Eine zierliche, blonde Frontsängerin, sogar noch Spickzettel in der Hand, sang/grunzte den Song voller Inbrunst und unglaublich druckvoll in einer Cannibal-Corpse-Version. Grosses (Splatter-)Kino! Auch der Rest der Band machte die Sache mit einem doch nicht einfachen Song überzeugend gut. 8. Archea. «Paradise City» von Guns'n'Roses: Ich meine: In Ordnung. Aber ich erwarte an einer Sedel-Jahreshitparade nicht bodenständig vorgetragene Covers, sondern Überraschungen und Kreativität. 9. Roli Summer. «Tell Me» von White Lion: Hut ab: Hier wurde eigens eine Harfe antransportiert. Ansonsten Schrummel-Version eines wenig überzeugenden Songs mit Perkussion. Und: Die Harfe hörte man leider nicht. 10. The Bonkers. «Jump» von Van Halen: Gebührender Dank an die Ex-Chicken-Nuggets-Jungs – sie sorgten für einen versöhnlichen Abschluss der ersten Hälfte des Rockklassiker-Marathons. Ein Töff mit Totenschädelfahne fährt auf die Bühne und das Drum stimmt den Beat an. Dann das obligate Synthie-Riff – punkig unterlegt natürlich. Und bevor man merkt, dass hier geschickt mit Playback gearbeitet wird, fangen sie an ihre Attrappeninstrumente zu zertrümmern, schmeissen sich ins Publikum und reissen wilde Posen. So geht das! 11. Dave Satellite. «Highway To Hell» von AC/DC: Da erwarte ich mehr, als diesen Song einfach ähnlich druckvoll wie im Original zu interpretieren. Dem Publikum gefiel's. 12. Play To Destroy. «Lady In Black» von Uriah Heep: Man kann mit diesem Song so viel Scheisse anstellen (z.B. Kandlbauer), Play To Destroy taten das zum Glück nicht und lärmten ihn, zusammengestaucht auf drei Strophen, in einer treibenden Kürzestversion runter. Gut so! 13. Kunz & Knobel. «Shout At The Devil» von Motley Crue: Wo war Kunz? Und vor allem: Wo war Knobel? Die konzertierten anscheinend irgendwoanders. Dafür waren da Gitarre, Bass und Schlagzeug und eine packende Version des Songs mit super Stimme. Wer immer da auf der Bühne stand: Sie machten das im Namen der beiden K sehr gut (und ebenfalls in Küchenkluft). Auch eine sehr gelungen Form von Überraschung. 14. 7 Dollar Taxi. «Poison» von Alice Cooper: Was die Jungs anfassen – es wird zu Gold. Ihre Bühnenshow war von einer Szene aus einer Rockumentary der halbfiktiven Band Spinal Tab inspiriert. Ein wahres Gewitter entzündeten sie, mit lasziv züngelndem Sänger und eigens engagiertem Groupie, das die Band während des Auftritts nachschminkte. Optisch wie musikalisch ein absolutes Highlight des Abends! 15. The Bucks. «Rock You Like A Hurricane» von The Scorpions: Gäste aus Zürich – sie verbesserten die schwierige Vorlage deutlich. 16. Kronzeugen. «Smoke On The Water» von Deep Purple: Wie schon letztes Jahr hatten die Kronzeugen die Show auf sicher und das Publikum definitiv auf ihrer Seite. Eine reine Acapella-Version des Klassikers brachten sie auf die Bühne. Irgendwann kamen dann ein Bob-Marley-, ein Elvis- und später noch ein Michael-Jackson-Verschnitt dazu, und das Ganze endete in einem herrlich komischen und irren Durcheinander. 17. Neutones. «We're Not Gonna Take It» von Twisted Sister: Schön, dass sich die wahrlich grossen Neutones für diesen Song nochmals zusammentaten (am Gesang übrigens der ansonsten neben Liembd komoderierende und mit viel Fachwissen ausgestatte René Sager). Der Mitgrölfaktor erreichte seinen Höhepunkt – was wohl unter Anderem auch am Text lag. Muss ein wahrhaft begnadeter Lyriker sein, der Twisted-Sister-Sänger. 18. The Scouts. «The Final Countdown» von Europe: Sicher ein schwieriger Song, bietet indes viel Angriffsfläche, um etwas daraus zu machen. Die Scouts machten es sich gar einfach, ratterten den Song schnoddrig und mit viel Punkgesten unterlegt runter. Der Nächste, bitte – gääähhhn! 19. Alteration. «Bedside Radio» von Krokus: Gewiss solid, aber da wurde einfach gecovert ohne mitzudenken. 20. Der Zoo. «Crazy Crazy Nights» von Kiss: Es wurde tatsächlich crazy bei der offiziell letzten Darbietung: In Tiermasken vermixten sie den Song gehörig, tanzend in einem Blitzlichtgewitter – durchaus erfrischend, und der Bogen zum Anfang wurde geschlossen. Und dann kamen sie alle noch einmal auf die Bühne. Nicht alle, aber viele zumindest, um «We Are The Champions» von Queen anzustimmen – man hat sich gegenseitig gern, «Gschpörschmi»-Stimmung wie beim guten alten Musikantenstadel. Aber da war ich mit einem Fuss schon im Schüürgarten. Einige offene Fragen: Pirellli schwirrte vor der Show im unteren Teil der Schüür herum. Irgendwas wird er damit zu tun gehabt haben, obschon man ihn auf der Bühne – er suchte wohl den Schutz einer Maske – nicht erkannte. Fragt sich, warum er nicht gleich moderiert hat, denn Marco Liembd ging den meisten eher früher als später auf den Geist (dies ergab eine spontane, nicht represantive Umfrage vor Ort). Was macht eigentlich genau den Reiz aus, im Rudel in Turbojugenduniformen auszugehen? Ist man in der individuellen Wahl der Kleidung nicht stilsicher genug? Wann gibt's endlich mal einen FALCO-Abend? Warum bildete sich vor dem Männerklo eine Schlange, beinahe bis zur unteren Schüürbar, während das Frauen-WC leer war? Ihr fragt euch vielleicht: Warum so viele Bands spielten, die gar nicht im Sedel proben? Laut Marco Liembd hat das mit der Mühe des Einhaltens von Anmeldefristen, Sitzungsterminen, sonstigen Fristen und Probezeiten, von gewissen Sedelbands zu tun. Zuguterletzt die wichtigste Frage überhaupt: Wo war die beste, lauteste, schnellste und authentischste Band Luzerns – wo waren die Moped Lads?