Frischer Wind auf die Leinwände

Neubad Luzern, 31.01.2017: In der Kinolandschaft Luzern tut sich was. Die Kitag baut das Maxx in Emmenbrücke auf 14 Säle aus und der grösste Schweizer Kinoanbieter «Pathé» kommt nach Ebikon. Am Neubad Talk wurde über dies und die neue Konkurrenzsituation zum Bourbaki gesprochen. Aber ist das Kino nicht längst tot?

Am diesmonatigen Neubad-Talk wurde über die Folgen dieser Veränderung auf die Kinolandschaft Luzern diskutiert und mögliche Chancen und Gefahren aufgezeigt. Anwesend waren Brian Jones als Berater der Pathé Schweiz, Frank Braun, Geschäftsleiter der Neugass Kino AG (Bourbaki, Riffraff & Houdini) und Philipp Portmann als Filmexperte und Business-Insider unter der Moderation von Beat Glur, Geschäftsleiter des Schweizerischen Verbands der Filmjournalisten und Filmjournalistinnen.

Im Jahre 2017 wird sich die Anzahl Kinosäle im Raum Luzern durch die Erweiterung des Kino Maxx und dem Neuzuzüger Pathé in Ebikon fast verdoppeln. Beat Glur stellte gleich anfänglich die Frage, ob diese Aufstockung überhaupt Sinn mache, in Zeiten wo die Kinobesuche rückläufig sind. Die kommenden Veränderungen wurden daraufhin als sehr typisch bezeichnet. Der Trend liege klar bei Multiplexen (Kinos mit 8+ Sälen), welche einiges wirtschaftlicher sind als Einzelsäle und so den schrumpfenden Markt auffangen können.

Es wurde aber gleichzeitig auch auf die sehr reichhaltige Kinolandschaft der Schweiz aufmerksam gemacht, in welcher es immer noch viele familiäre oder ehrenamtlich geführte und z.T. staatlich subventionierte Einsaal-Kinos gibt. Auf die Frage nach Subventionen meinte Frank Braun, dass die ganze Kinobranche – von Regisseur bis Filmverleiher – staatlich subventioniert ist, diese «Zustüpfe» aber vor den Pforten der Kinobetreiber endeten. Ganz stolz fügte er an, dass eben auch seine Arthouse-Kinos wirtschaftlich geführt sind. Letztes Jahr gab es einen Einbruch von ca. 12% an Kinogängern, welcher laut Brian Jones auf das Fehlen von grossen Blockbuster-Titeln und Schlechtwetter zurückgeführt werden kann.

Ganz so schlecht geht es den Kinobetreibern aber dennoch nicht, denn sowohl die Neugass wie auch die Pathé-Kinos schreiben immer noch grüne Zahlen und die Anzahl verkaufter Tickets liegt seit Jahren relativ konstant zwischen 14-15 Mio. Der Durchschnittsschweizer geht also immer noch knapp zwei mal im Jahr ins Kino.

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Im zweiten Teil des Gesprächs ging es um die neue Konkurrenzsituation zwischen dem Pathé in Ebikon und dem Kino Bourbaki, da auch Pathé Arthouse-Filme im Originalton zeigen möchte. Das Pathé wird also erstmals Konkurrenz bieten, in einem Genre wo das Bourbaki bis anhin der Platzhirsch war. Brian Jones relativierte diesen Konflikt aber sehr schnell, indem er anfügte, dass vom ganzen Programm nur ein kleiner Teil Arthouse-Filme sein werden. Auch bei der Synchro werde man den Markt zuerst abtasten und schauen, wie die Leute auf O-Ton mit Untertiteln reagieren. Die Statistik zeigt nämlich, dass synchronisierte Filme fast doppelt so gut besucht werden. 

Für mich scheint es sehr unwahrscheinlich, dass das Pathé viele Besucher vom Bourbaki abgreifen wird — das Zielpublikum ist ganz ein anderes: Welcher kulturaffine Mensch geht freiwillig in diesen überdimensionierten kapitalistischen Tempel a.k.a. «Mall of Switzerland», wenn er gleichzeitig ins schnuckelige Bourbaki gehen kann? Der direkte Konkurrent wäre viel eher im Multiplexkino Maxx in Emmenbrücke zu sehen, welches eine ähnliche Struktur und ebenfalls Autobahnzugang hat. Darauf wurde aber nicht eingegangen.

Als grösste Herausforderung für die Zukunft sieht Philipp Portmann jedoch nicht die Konkurrenz unter den Kinobetreibern, sondern zu Diensten wie Netflix, HBO und Co. Diese «Video-on-Demand»-Dienste bieten immer öfters auch grosse Filme bereits zwei Wochen nach der Kinopremiere an oder produzieren gar selber exklusive, qualitativ hochwertige, Inhalte. Alle waren sich einig, dass das Kino längst zur kulturellen Institution geworden ist und nach wie vor ein einzigartiges Erlebnis bietet, was qualitativ weit über dem heimischen Filmeschauen steht. 

Für mich persönlich ist es dabei weniger das grössere Bild oder der bessere Ton, welcher mich immer wieder ins Kino treibt, sondern die «erzwungene» Auseinandersetzung mit dem Film. Man bricht ihn nicht nach den ersten 10 Minuten bereits ab, weil er doch nicht so der Knaller ist. Man kann ihn nicht schnell pausieren, um eine wichtige neue Mail zu beantworten. Und man kann nicht von ihm abgelenkt werden, weil der WG-Mitbewohner mit einem partywütigen Trubel Leute nach Hause kommt, welche alle heute ihre letzte Prüfung hatten. Das Kino bietet die selten gewordene Möglichkeit, sich für 120 Minuten nur auf etwas konzentrieren zu dürfen. Wenn du dich das nächste mal also fragst, ob du wirklich den Film in grausamen 360p, plus Blechsound sehen möchtest: Klapp den Laptop zu, zieh die Schuhe an und geh ins Kino!

Das ganze Gespräch wird in seiner vollständigen Fassung hier zu sehen sein.