Escape Architecture

Kunsthalle Luzern, 08.01.2016: Everybody Wins! Things Change! Nur in der Kunsthalle Luzern und nur noch bis Ende dieses Monats.

(Bilder von Jürgen Beck und Shannon Zwicker)

«Escape Architecture» ist der Titel der letzten Freitag eröffneten Ausstellung in der Kunsthalle Luzern und der darin enthaltenen Serie von neun Fotografien im Grossformat. Der ausstellende Künstler ist Jürgen Beck, geboren 1977 in Tübingen und von der ehemaligen Leiterin der Kunsthalle Luzern Alessa Panayiotou eingeladen worden, seine erste institutionelle Einzelausstellung zu realisieren. «Escape Architecture» ist eine konzeptuelle Ausstellung des Künstlers, die in Zusammenarbeit mit dem Kurator der Kunsthalle Luzern Michael Sutter entstanden ist.

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Die Serie Escape Architecture Die neun Bilder der Serie Escape Architecture zeigen typografisch gestaltete Filmtitel auf Presskits einiger mehr oder weniger gescheiterten Hollywood-Streifen der 1980er-Jahre. Filmtitel als Artefakte vom Aufstreben US-amerikanischer Kultur. Eine Kultur im Glauben an Unstrung Heroes, in der sowieso Everybody Wins – eben eine Kultur von Pure Luck, Wohlfahrt, Konsummöglichkeiten im Überfluss und einem Haufen geistreicher Filme mit Namen wie eben Pure Luck, Everybody Wins und Unstrung Heroes, deren Presskits nun als Sujets in Becks Serie erneut oder erstmals Prominenz erlangen.

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Typografie Die Fotografien dieser Presskits sind sehr minimalistisch kreiert und bilden eine formal gleichförmige Serie, die ausgehend von Semantik und typografischer Gestaltung der Filmtitel einen sehr freien Illusions- und Reflektionsraum eröffnet. Die Serie vereint die Bandbreite typografischer Gestaltungen von anziehendem Trash bis zu schweizerischer Reduktion. Escape und Architecture Der Titel der Serie, die in ihrem Erscheinen nichts mit «Architecture» zu tun hat, lässt sich besser über das Wort «Escape» begreifen. Filme als gestaltete, illusionistische Ausfluchtmöglichkeiten. Im Rest der Ausstellung wird der Bezug zur Architektur aber durchgehend klar. Die Informationen zur Ausstellung befinden sich in einer am Empfang bereit liegenden Broschüre. Der komplexe Ausstellungstext von David Misteli ist relevant für das Verständnis der Ausstellung und liefert sachdienliche Denkanstösse für eine mögliche Lesart der Konzeptausstellung. Zudem befinden sich in der Broschüre die notwendigen Bildlegenden zu Jürgen Becks Arbeiten. Odeon und Lyceum Die Serie Escape Architecture wird begleitet von zwei kleinformatigen Bildern des 1937 erbauten Odeon-Theatres in UK und des 1938 erbauten Lyceum in Glasgow. Die Verbindung zwischen den Film-Presskits und den Fotografien der beiden Kino-Prunkbauten ist einleuchtend und gleichzeitig trivial anmutend, handelt es sich um vermeintliche Spielstätten der erfolglosen Filmtitel. Odeon und Lyceum wirken als mögliche Erklärung des Künstlers für die abstrakte Arbeit rund um die Movie-Presskits und spannen den konzeptuellen Bogen zur Architektur. Durch die Platzierung in der Nische hinter dem Empfang flankieren sie die Betrachtungsweise der Serie Escape Architecture.

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Produzierte Realität Spannend ist die als Plakat gehängte Fotografie «Mall» an der hinteren Wand, die ein Schaufenster zeigt und uns zugleich auf Durchsichtigkeit und Spiegelung aufmerksam macht. Das Spiel mit Illusionen auf verschiedenen Ebenen in dieser wie auch allen anderen Arbeiten der Ausstellung ist ruhig und gelungen – auf Spektakel wurde verzichtet. Drei auf einem Tisch am hinteren Ende des Raums platzierte kupferne Heliogravüren spielen bezüglich ihrer Materialität und ihrer Beständigkeit als Negative mit dem Verhältnis zwischen Realität und der Illusion von (Re-)Produzierbarkeit von Realität.

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Kabinett Die Ausstellung wird im Kabinett (UG) ergänzt von drei Schaufenster-Dekor-Fotografien die im Laufe von Becks fotografischer Karriere entstanden sind und uns ausschnittartige Einblicke in seine Arbeitsweise und sein Denken geben. Bewusste Täuschung und unbewusste Illusion sind hier noch reduzierter und abstrahierter thematisiert als im oberen Raum. Die Bilder zeigen improvisierte Schaufenster-Dekoration, architektonische Versatzstücke und treten durch die fotografische Interpretation teilweise als grafische Strukturen in Erscheinung. Diese sind in ihrem wirklichen Bestehen in einem Schaufenster fast nicht vorzustellen und bedurften in grossem Masse eines sensiblen Auges des Künstlers, um so festgehalten zu werden.

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Meinungen Die Ausstellung ist anspruchsvoll gedacht und sehr minimalistisch gestaltet, was den Fotografien der Serie Escape Architecture zugute kommt, der Überforderung der Betrachterschaft, einen roten Faden zu finden, aber keine Abhilfe schafft. So hörte ich an der Vernissage geteilte Meinungen vor allem über die Ausstellungsgestaltung und die Verwirrung durch den Titel, welcher offenbar falsche Erwartungen erzeugte beim Publikum. Man spürte jedoch die einstimmige Begeisterung über die Serie Escape Architecture, deren zugrundeliegende Idee und Umsetzung auch mir sehr gut gefällt.

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Die Ausstellung ist noch bis am 31. Januar 2016 in der Kunsthalle Luzern zu sehen. Die Öffnungszeiten sind von MI bis SO von 15.00 Uhr bis 20.30 Uhr