Es hallt nachhal(l)tig ...

Schon der Terminus verspricht Unkonventionalität und Bruch mit Tradition: Kunsthalle … Eine Halle ist nicht primär, was in den Sinn kommt, wenn man an das Ausstellen von Kunstwerken denkt. Eher an deren bisweilen stiefmütterliche, nicht für Publikumsaugen gedachte Lagerung. Museen sind sorgfältig ausgestattet, wohl temperiert und haben nicht selten die Funktion von Repräsentationsbauten inne. Die Halle, eher an Sport oder Industrie erinnernd, macht bereits durch ihren Namen ihren (vermeintlichen) Rebellenstatus unter den Ausstellungskontexten deutlich. Aber hat so was in Luzern denn einen Platz, eine Berechtigung?

(Von Alessa Panayiotou)

Kunsthallen gehören in grösseren europäischen Städten zum guten Ton. Die kleinen pubertierenden Brüder oder Schwestern der Kunstmuseen, eine geschlechtliche Beschränkung ist im Kunsthallenzirkus nicht festzustellen und mehr als verpönt, sind aus der urbanen Kulturlandschaft nicht wegzudenken. Sie beschreiben sich als Plattformen zeitgenössischer Kunst und interessieren sich folgerichtig für weniger etablierte Künstler, was nicht heisst, dass Kunsthallen nicht auch manchmal, und das nicht ungern, auf bekannte Allgemeinplatz-Namen setzen. Kunsthallen sind weniger Aufarbeiter der Geschichte als Reflektoren der Gegenwart. Genau wie letzter Satz mag auch der Anspruch der Kunsthallen auf Unmittelbarkeit, Unabhängigkeit und vielleicht auch politische relevante Themen, für die Kunsthalle Luzern beispielsweise ein eminent wichtiger Eckpfeiler, etwas prätentiös und aufgeblasen klingen. Kunsthallen sind eigentlich das Pendant zum ach-so-intellektuellen Lederjacken-Indie-Guy. Aber mal ehrlich: Sind wir nicht alle ein bisschen der ach-so-intellektuellen Lederjacken-Indie-Guy? Und schätzen wir nicht seinen Effort sich angestrengt (bis es anstrengend wird) anti-verstockt und anti-bürgerlich zu verhalten?

Ausstellung mit dem Titel "Kunscht isch gäng es Risiko" in der Kunsthalle Luzern.

Die Kunsthalle Luzern hält in ihrem Mission Statement fest, dass sie sich mit progressiven und kritischen Entwicklungen in der zeitgenössischen Kunst auseinandersetzen will und so die Schnittstelle von Kunst und Politik eruieren will. Aus diesem Grund werden die Ausstellungen immer von Lesungen, Vorträgen und Diskussionen begleitet, welche die Kunst in grösserer interdisziplinäre Zusammenhänge stellen sollen. Das Credo der Kunsthalle, nachzulesen auf der Website www.kunsthalleluzern.ch, lautet denn auch: «Wir wollen experimentieren, wir wollen spezifisch sein und wir wollen Individuen treffen.» Ein hoher und tiefgreifender Anspruch, eigentlich doomed to fail und prädestiniert um sich darüber lächerlich zu machen. Aber genau dies ist ein anderes Spezifikum vieler Kunsthallen: Sie wollen wagen und scheren sich, zumindest in künstlerischen Angelegenheiten, beim schnöden Mammon liegt der Fall etwas anders und Gefälligkeiten sind aus offensichtlichen Gründen erwünscht, wenig um was sich gehört, was ankommt.

Grosse Publikumserfolge oder Blockbusterausstellungen sind selten Programmpunkte und würden auch die Glaubwürdigkeit der Kunsthallen-Rebellen untergraben (nur als Beispiel: Die letzte Ausstellung der Kunsthalle Bern hatte keine Exponate, nur leere Räume – lediglich gefüllt mit immateriellen Ideen). Allerdings liegt hier auch ein Problem: Die Finanzierung ist schwierig. Nicht nur aufgrund der kühnen Ausstellungskonzepte, sondern auch, weil die Eintrittspreise, zwecks Kunst für alle und nicht nur die Burgeoisie, tief gehalten werden sollen – die Kunsthallle Luzern ist gar gratis (jawohl, ein Über-Mittag-Kunstquickie liegt also durchaus drin. Auch für Studis und Schüler)! Zudem sind Kunsthallen keine Galerien, nicht auf Profit ausgerichtet und wollen unabhängig bleiben, sprich die Zahl an mitredenden Geldgebern so gering wie möglich halten. Nein, einfach ist der Unterhalt einer Kunsthalle nicht.

Lillian Fellmann, künstlerische Leiterin der Kunsthalle Luzern, setzt grossen Wert auf internationale Verknüpfung. Trotz lokaler Verankerung, in einer Form beispielsweise durch die BASIS, ein Ordnersystem, ständig in der Kunsthalle platziert, wo Zentralschweizer Kunstschaffende ihre Dokumentationen und Portfolios Interessierten zugänglich machen können, ist der Bezug zu ausländischen Institutionen und Künstlern wichtig. «Tissue of Lies», die letzte Ausstellung, vereint Werke von Schweizer und Israelischen Künstlern und im Mai wurde ein Behavior Workshop mit Vertretern aus ganz Europa veranstaltet, welcher diskutierte, ob Liebe vielleicht die Lösung für die Annäherung verschiedener Kulturen sei.

Anscheinend stösst aber künstlerischer Globalismus in Luzern auf wenig Resonanz: Bezeichnenderweise war die Einzelausstellung von Nils Nova, ein hiesig ansässiger, allerdings von internationalem Renommée, die Schau mit dem grössten Publikumserfolg der Kunsthalle Luzern. Ob dies nun am Provinzialismus unserer Stadt liegt oder rein künstlerische und werktechnische Gründe hat, lässt sich leider schlecht eruieren. Zumindest der Raum, 400m2 in den Shedhallen der ehemaligen Kühlschrankfabrik Frigorex, wird zwar von den Künstlern aufgrund seiner Grosszügigkeit und seines neutralen, ergo ohne Vorgaben bespielbar, Aussehens geschätzt, erinnert aber eher an hippe New-Yorker-Loft-Ästhetik als ein repräsentatives Museum einer Touristenstadt. Der Space, auch ein Kunsthallen spezifischer Anglizismus, ist eher cool als zum Verweilen einladend.

Es stellen sich nun Fragen wie: Ist Luzern vielleicht zu stark in Traditionen verhaftet, um unkonventionelles Ausstellen zu goutieren; liegen die Interessen anders? Oder ist die Kulturlandschaft Luzern bereits übersättigt und für eine Kunsthalle gar kein Platz mehr? Allerdings kann man argumentieren, dass Bedürfnisse geschaffen werden können, auch wenn sie zuvor gar nicht da waren. Luzern brauchte vielleicht keine Kunsthalle, zu der das vorgängige Kunstpanorama 2008 gemacht wurde, belebt aber jetzt die Szene durchaus, wenn auch noch scheu, und bildete zumindest einen interessanten Gegenpol. Die Diskussion darum, ob Luzern genug grossstädtisch ist für eine Kunsthalle, ist sowieso müssig: Es ist schlicht eine Frage des Konzeptes. Gute Ideen setzen sich durch, auch wenn Geduld aufgebracht werden muss, und passen sich automatisch dem Kontext an. Die Kunsthalle existiert nicht unabhängig von Luzern und findet auch hier ihr Publikum (suchen gehört eben dazu). Oder anders: Luzern bekommt die Kunsthalle die es verdient.

Nils Nova - Schatten voran, Ausstellungsansicht

Nils Nova - Schatten voran, Ausstellungsansicht