Es geht auch ohne Apfel und Ei

Loge Luzern, 14.1.2014: Die kleine Loge schwappte vor Publikum fast über, als Christov Rollas musikalisches Intro den Luzerner Lesebühnenabend eröffnete, der dem verheissungsvollen Thema «Der Apfel und das Ei» gewidmet war, äh, gewidmet gewesen wäre… MC Graeff, der eigentlich Max Christian Graeff heisst, moderierte den etwas in die Länge gedehnten, aber im wörtlichen Sinne köstlich gestalteten Leseabend.

(Von Tiziana Bonetti)

Geboten wurde allerhand und angeregt allersinne: Statt einer Überdosis Literatur erfreute sich so nicht nur Auge und Ohr über «the Beauties» und Simone Meier alias «Ersatz-Beast» (Sandra Künzi musste aus arbeitstechnischen Gründen dem gestrigen Abend leider fernbleiben), sondern auch olfaktorisch kam das Publikum auf seine Rechnung… Wer jetzt an einen stinkigen Sitznachbarn denkt, der hat wohl weniger Fantasie als MC Graeff, der auf einem improvisierten Herd Fischstäbchen à la poèle grillte, die dem Publikum heiss serviert wurden. Was Teureres läge nicht drin. Kultur müsse schliesslich den Gürtel enger schnallen, rechtfertige sich MC Graeff für die kulinarische Katastrophe, die im Hintergrund vor sich hin brutzelte und dennoch duftige Omnipräsenz markierte. Den Lesebeginn vollzog André Schürmann, der sechs relativ lose Gedanken zum Jahresanfang und zum Apfel vorlas und sich damit regelrecht als Pomolog (Apfelwissenschaftler) outete. Mit so vielen Apfelsorten beworfen wurde im Saal bestimmt noch nie jemand zuvor. Nach dem sinnreichen Fazit, ein Tag ohne Apfel sei ein Tag ohne Fisch, übergab der Spoken-Word-Künstler dem redseligen MC Graeff das Mikrophon, der den Text «Tennis» von Sandra Künzi vorlas. Der Text, der mit dem Tabu-Satz: «Ich war zu Hause und befriedigte mich selbst» begann, sorgte im Publikum für erregte Lacher. Nicht weniger ulkig war der nächste Text, der vorgelesen wurde: Christov Rolla gab eine fiktive Briefkorrespondenz zum Besten, die zwischen dem aufdringlichen Holzsammler Edward du Bois und einem Postsekretären aus dem Elsass stattgefunden hatte und noch nicht einmal zum Erliegen kam, nachdem es dem Postsekretären gelungen war, dem Naivling du Bois eine Kontaktsperre anzuhängen. Als letzte Performerin erhob Simone Meier, die geladene Gästin, ihre Stimme. Vorgestellt wurde sie von MC Graeff als Frauenbeauftragte, die den Männerüberschuss im Tagesanzeiger einzudämmen hätte… Konsequenterweise hielt sie sich denn auch nicht beim Thema «Apfel und Ei» auf, sondern widmete sich «Mädchenkram» und ballerte mit lauter ominösen Wimperntuschen-Namen auf die Zuschauer, um schliesslich elegant auf ein Allerweltsthema, Kaltwachsstreifen, überzuleiten. Nach diesen Acts war der Abend aber noch lange nicht gelaufen: Nach einer zehnminütigen Durchlüftungspause quetschte man sich erneut durch die Klappstuhlreihen. MC Graeff begann die zweite Halbzeit mit dem Vorlesen einiger Sonette und Sportgedichte, die er als Jugendlicher geschrieben hatte. Das Wort überliess er danach André Schürmann, der mit einem Manifest des Apfels (ja, schon wieder Apfel) vor die Zuschauer trat. Mit Ausnahme Andre Schürmanns, wusste – oh Wunder! – nämlich keiner der vier Performer so recht etwas mit dem Thema «der Apfel und das Ei» anzufangen. Mit Simone Meiers Fernsehsatiren neigte sich der Abend schliesslich seinem Höhepunkt entgegen, wie Spassvogel MC Graeff verkündete, der bis zu den Knien in Possenreisserschuhen feststeckte. Der Abend endete schliesslich mit tosendem Applaus. Aufstehen durfte man aber trotzdem erst, nachdem man MC Graeffs Ankündigungen über kommende Kulturveranstaltungen über sich hatte ergehen lassen. Die nächste Lesebühne gibt's pünktlich am zweiten Dienstag im Monat, das heisst am 11. Februar 2014. Geworben wird mit frischen Texten, neuen Liedern und Tiefgang zwischen den Zeilen!