Erwartungs-Elegie

Südpol, Luzern, 31.05.2017: Terry Riley, Pionier der Minimal Music, tritt in der Leuchtenstadt auf. Welch ein Anlass, solch eine Legende! Evoziert das Erwartungen? Ja. Wurden diese erfüllt? Nein.

Es gilt eingangs zu betonen: Dem Südpol ist ein Coup gelungen. Die Zusammenarbeit mit dem legendären Bad Bonn, eine Vorwarnung auf die dortige Bad Bonn Kilbi, resultierte in der Verpflichtung von Terry Riley: Wow! Riley ist neben Steve Reich, La Monte Young und Philipp Glass ein Pionier und einer der bekanntesten Vertreter der Minimal Music. Minimal Music, das ist knapp zusammengefasst Musik, die einen graduellen Prozess durchläuft: Durch repetitive Pattern entstehen gemächliche Klanglandschaften, ideal für Trance-Momente. Dynamik, Kontraste, Melodien und Harmonien sind sekundär zu betrachten. Bekannte Werke wären das Geburtswerk «In C» von Terry Riley, «Electric Counterpoint» oder «Music for 24 Musicians» von Steve Reich, das «Well-Tuned Piano» von La Monte Young und die Filmmusik zu «Koyaanisqatsi», verfasst von Philipp Glass. Oftmals inspiriert von asiatischer und afrikanischer Musik, kann die Minimal Music durchaus kritisch betrachtet werden – wer sich eine detailliertere Abhandlung wünscht, ist mit Christoph Wagners Artikel gut bedient.

Father & Son

Da sass nun also das Publikum, mehrheitlich in gehobenerem Alter – lag es am stolzen Eintrittspreis von 58 Franken, dass ein Grossteil von jüngeren Musikfans dem Südpol trotz Facebook-Anmeldung ferngeblieben ist? Oder dass diese präsente Generation in einer Zeit aufgewachsen ist, wo Riley einen wesentlich grösseren Namen hatte als heutzutage? Der Mann hat immerhin Musikgeschichte geschrieben in den 1960er- und 1970er-Jahren. Und performt nun in einem Alter, wo andere längst nur noch über ihre Taten reden mögen. Aber Riley ist auch einer, der mit seinen bald 82 Jahren nach wie vor jeden Tag aufsteht und mehrere Stunden übt. So wie das vermutlich auch sein virtuoser Sohn Gyan Riley praktiziert, der seinen Vater für das Konzert an der Gitarre begleitete.

Rileys

Diese Lust, ja fast Sucht war den Auftretenden anzumerken. Ohne gross Worte zu verlieren, legten die beiden Musiker in einem Affenzahn los. Das aber eine Spur zu schnell, wie einem schien: Weder war das Vorgetragene sauber gespielt, noch aufeinander abgestimmt. Da sass auf der einen Seite Riley Senior am Piano und spielte seine Linien behände hervor, auf der anderen versuchte ihm Riley Junior zu folgen – aber so richtig wollten sich die Phrasen nicht ineinander verzahnen. Bereits zu diesem Zeitpunkt war ohnehin klar: Von Vorstellungen der Minimal Music oder Rileys Musik musste sich an diesem Abend verabschiedet werden. Das berührte nicht und war auch im Kopf eine gelinde gesagt mühsame Sache. Da halfen die Einlagen auf dem Smartphone und der unglückliche Einsatz des Midi-Keyboards wenig. Es beschlich einem das Gefühl, Riley spielte bloss eine Art Schaffenskanon runter. Oder wie es ein Zuhörer treffend beschrieb: «Eine musikalische Hülle, die nicht viel zu sagen hatte». Aber immerhin eine schöne Stimme besass. 

Im Verlaufe des Konzertes fanden die beiden Musizierenden zwar besser zueinander, besonders Riley Junior beeindruckte mit seinem technischen Können an der Gitarre. Und die verschiedenen Musik-Einflüsse aus aller Welt waren sowohl zu hören, als auch zu spüren. Doch alles in allem wirkte dieses Konzert sehr bemüht und blass. Das müde Caravan-Cover als Zugabe rettete wenig. Dabei gilt festzuhalten: Das Fazit des Autors setzt sich nicht bloss aus dessen eigener Meinung, sondern aus diversen Publikums-Voten zusammen. Da mochte es bestimmt Personen darunter geben, denen dieses Konzert ausserordentlich gefallen hat – deren Ergänzungen sind in den Kommentarspalten herzlich willkommen. Ansonsten freut man sich auf den nächsten Südpol-Coup, denn solche Aktionen tun Luzern eigentlich gut. Und wir wünschen bereits jetzt eine schöne Bad Bonn Kilbi! 

 

Bilder: Martina Henzi