Erwartbar unerwartbar

Treibhaus, Luzern, 20.04.2018: Nach vier Jahren gemeinsamen Spielens taufen Mind Patrol ihr erstes Album. Heavy-Thrash-Metal, Moshpits und das Versprechen von Unerwartbarem füllen den Raum. Und so unerwartbar wie «Against All Predictions» sein soll, wird dieser Text enden. Versprochen.

 

Den Auftakt des Abends machen die Luzerner Ticket to Nowhere, gefolgt von den Baslern Total Annihilation. Trotz starker Musik scheinen die Vorbands das Publikum nicht ganz so in Fahrt bringen zu können. Der Raum leert sich nach anfänglichem ziemlich voll Sein. Die Basler versuchen die Menge aufzuheizen, locken mit einem Bier zur Belohnung für den ersten Stagediver. Auch das funktioniert nicht sofort, und erst einen Song später lässt sich jemand von zehn erhobenen Händen herumschaukeln. (Ist ja doch ein Bier, nicht?). Nach den beiden Shows kommt dann der eigentliche Grund für die heutigen Festivitäten.

MindPatrol

Mind Patrol ist eine Luzerner Band, die 2012 gegründet wurde, und seit 2014 in der heutigen Besetzung unterwegs ist. Das Quartett besteht aus Yves Nellen (voc, g), Christian Pfister (g), Emil Schuler (b) und Matthias Gsteiger (dr). In diesen vier Jahren ihres Bestehens spielten sie über 50 Konzerte, sei es als Support für internationale Bands oder zusammen mit anderen lauten Schweizer Formationen. Und stellen nun endlich ihr erstes Album vor: «Against All Predictions». Dabei soll der Name schon Programm sein. Denn Mind Patrol versprechen auf dieser Platte  Abwechslungsreichtum und dass kein Song so endet, wie er begonnen hat. (Hallo Erwartungshaltung.)

 

Der einzig echte Musiker

 

Der Metal, den Mind Patrol spielen, ist irgendwo zwischen Heavy und Thrash angesiedelt. Und tatsächlich wirken die Songs abwechslungsreich, mit deutlich unterscheidbaren, eingängigen Melodien. Geshreddete Riffs und klare, saubere Harmonien geben sich die Hand. Technisch zwar gut, war von Überraschungen aber nicht wirklich zu sprechen, da die Wechsel innerhalb der Songs kaum der Rede wert sind. Viel zu subtil wirken sie und kommen so gar nicht wirklich zur Geltung. Erweckte die Band hier im Vorfeld eine zu hohe Erwartungshaltung? Das wäre gar nicht nötig, überzeugen Mind Patrol live auch ohne diese: Nellen und Pfister reissen an ihren Gitarren, spielen dann wieder gedämpft, lösen sich kurz mit Nebeneinlagen, und kommen wieder zurück. Gsteiger thront im Hintergrund mit seinem Schlagzeug im Dunkeln, kaum sichtbar, aber dennoch wichtig und prägnant. Schuler ist mit seinem Bass das Glanzstück der Band. Jedes Mal, wenn ihm etwas Platz gemacht wird, erschafft er mitreissende Momente. Eifrig fingert er den Bass, als ob er nie etwas anderes gemacht hätte. (Neckisch wird er als der einzig echter Musiker hier vorgestellt). Nellen singt und knurrt sich mit gepresster Stimme durch die Songs, kommt aber nie richtig zur Geltung. Vielleicht so gewollt, vielleicht nicht richtig abgemischt – der raue Gesang fällt im Vergleich zur restlichen, vollen Akustik flach. Das macht der Sänger jedoch mit seiner Präsenz wieder wett. Er stachelt das Publikum an, ist aufmerksam, kommentiert jeden liebevoll in die Höhe gestreckten Mittelfinger, scheint voll im Moment zu sein.

MindPatrol

Das Publikum ist jetzt dabei. Immer wieder bilden sich obligate Mosh- und Circlepits. Köpfe und Haare werden wild herumgeschwungen. Alles ist so, wie es sein soll. Dann geht die Band zum offiziellen Teil des Abends über. Es soll ja eine Platte getauft werden. Nellen setzt seine Gitarre beiseite und eine Brille auf. Er bedankt sich bei allen, die irgendwie mit der Entstehung des Albums zu tun hatten.Ganz unmetalmässig wird danach das Erstlingswerk in Rimus statt Champagner oder Bier ertränkt – oder ist das inzwischen Metal? Und gerade als das Publikum offensichtlich das Interesse am Zeremoniellen verliert, gehen Mind Patrol in die letzte musikalische Offensive.

 

So endet diese Taufe, und wirklich unerwartet ist