Erschütterte Erinnerung

Patricia Büttiker präsentiert mit «Nacht ohne Ufer» ein schwermütiges Debüt. Das Buch ist der innere Dialog einer jungen Frau, die ihren Konflikt mit der sterbenden Mutter mit sich selbst austragen muss.

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Bild: zVg

Zwei Halbschwestern treffen sich am Sterbebett ihrer Mutter, die viel zu früh aus dem Leben scheidet. Gloria hatte die letzten Jahre mit dieser Mutter gelebt, Esther hingegen war von dieser als Kind nach der Scheidung verlassen worden. Nun liegt diese Frau im Spital und hinterlässt einen Konflikt, der zu lösen unmöglich scheint – vor allem, weil sie ihm durch ihr Sterben einfach entkommt. Dafür entstehen Reibungen zwischen den Geschwistern. Dahinter liegt die Frage: Warum lief das Leben so, wie es gelaufen ist? 

Patricia Büttikers Debüt «Nacht ohne Ufer» spielt bis auf einzelne Rückblenden während einer einzigen Nacht im Spital, in der auf den letzten Atemzug der Mutter gewartet, gestritten und viel geraucht wird.

Das Buch bietet wenig Handlung. Auf dem Cover steht «Roman», ein Label eher gewählt für den Buchhandel denn als treffende Bezeichnung des Inhalts. Die 125 Seiten umfassende Erzählung könnte eine Erinnerung einer namenlosen, zurückhaltenden Erzählerin sein; die Gespräche sind nachgesprochene Dialoge, entweder als wiedergegebene Statements ohne Anführungszeichen, oft auch in indirekter Rede.

Patricia Büttiker treibt das Stilmittel gar auf die Spitze, lässt Figuren indirekt zögern: «Glorias Stimme. Der… der Mutter gehe es sehr schlecht», steht dann da.

Fast als ob die Tragik des Buchs der Erzählung selbst die Sprache verschlagen würde. Büttikers Erzählton ist jedoch nicht immer konsequent. Wenn ihre Protagonistin Esther den neuen Freund der Schwester mit den Worten «Vergiss das Arschloch» kommentiert, so übertreibt die Autorin den Stilbruch. Man fällt aus der sonst subtilen Gedankenwelt, die Erzählung wird für einen Moment unglaubwürdig. Trotzdem lohnt sich die Lektüre von Patricia Büttikers Debüt.

Das Buch hat eine enorme Schwere, die traumatisierte Hauptfigur erhält kaum Raum, den noch offenen Konflikt mit ihrer sterbenden Mutter auszutragen.

Der Streit wird auf sie zurückgeworfen und führt sie unweigerlich in existenzielle Fragen. Doch verwebt die Autorin schliesslich ein Stück Hoffnung in ihre letzten Zeilen, in dieses Ende des Lebens, das wohl immer offene Fragen zurücklässt.

Patricia Büttiker:

Nacht ohne Ufer

Roman. edition bücherlese, Luzern. 128 Seiten. Fr. 27.00