«Erschrecket, ihr verstockten Sünder!»

Franziskanerkirche Luzern, 27.09.2015: «Mit Bach und Trompeten» ist das diesjährige Motto des Bach Ensembles Luzern. Zwei Kantaten Johann Sebastian Bachs und ein Trompetenkonzert von Johann Baptist Neruda hat es zu diesem Thema letzten Sonntag aufgeführt. Dem zu einem Grossteil älteren  Publikum gefiel die Aufführung.

Eine Zeitreise zurück in das 18. Jahrhundert, das war die Aufführung des Bach Ensembles Luzern. Mit den beiden Kantaten Johann Sebastian Bachs «Wachet auf, ruft uns die Stimme» und «Wachet! betet! betet! wachet!» durften die Zuhörer über eine Stunde lang in der Fülle des Barocks schwelgen. Vielleicht ist dieser in unserer Gegenwart wieder aktueller denn je. Vielleicht ist er aber auch zum Verschwinden bestimmt, denn trotz massiven Vergünstigungen für Jugendliche waren nur ältere Generationen anwesend. Pestepidemien und schreckliche Kriege prägten die Lebensumstände des Barockzeitalters. Die Vergänglichkeit alles Diesseitigen war derart allgegenwärtig, dass den Zeitgenossen nur zwei extreme Möglichkeiten blieben, auf solch widrige Zustände zu reagieren: Entweder wählte man den Weg der totalen Verbitterung und rieb sich an den Missständen auf, oder man wählte den Weg des pompösen Genusses, um genau diese Missstände vergessen zu können – zumindest für die paar Jahre, die noch übrig blieben. Und nur wenn man sich eine Wahl überhaupt leisten konnte. Diesen Spannungsthemen, eingeengt zwischen Tod und Erlösung, Sinn und Vanitas, zwischen «Memento mori» und «Carpe diem», folgen auch die beiden Bach-Kantaten: Wenn in «Wachet auf, ruft uns die Stimme» die Seele die Begegnung mit Gott erwarten soll, so wie kluge Jungfrauen den Bräutigam erwarteten, dann ist der letzte Tag nicht fern. Und auch im Hin und Her des innerlich zerrissenen lyrischen Ichs in «Wachet! betet! betet! wachet!» widerspiegelt sich die Spannung zwischen Sünde und Erlösung.

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Bezeichnend für den Barock wetteiferten im Luzerner Bach Ensemble die Chorstimmen mit denen der Solisten. Klangliche Fülle und Überschwänglichkeit demonstrierten die Schwere der behandelten Gefühle. Durch appellartige Trompeten unterbrochen, spitzte sich die Dramatik musikalisch in «Wachet! betet! betet! wachet!» immer mehr zu, um dann in einem letzten Schlag zu enden. Die trompetenstarken Kantaten wurden nicht zufällig ausgesucht: «Mit Bach und Trompeten» war das diesjährige Motto des Bach Ensembles. Perfekt passte dazu das Trompetenkonzert in Es-Dur von Johann Baptist Neruda, welches das Orchester zwischen den Kantaten aufführte. Es wäre müssig darüber zu diskutieren, ob das Luzerner Bach Ensemble die Perfektion eines Spitzenensembles erreichte oder nicht. Mit seinem jahrzehntelangem Bestehen und Engagement ist es dem Ensemble gelungen, die Gefühlspracht der Kantate nicht nur vorzuspielen, sondern dem geneigten Zuhörer auch spürbar nahe zu bringen. Dies war nicht zuletzt Dirigent Franz Schaffner zuzuschreiben, der das Ensemble schon seit seiner Entstehung im Jahre 1980 leitet. Ein starker Immanuel Richter an der Trompete sowie die Sopranistin Barbara Böhi, der Tenor Niklaus Rüegg und der Bassbariton Wolf Latzel vermochten gemeinsam mit einem überzeugenden Laienchor und Orchester zu gefallen. Das Engagement des Luzerner Bach Ensembles ist längst auch bei den Luzernern und Luzernerinnen angekommen, die zahlreich in der Franziskanerkirche erschienen sind und grossen Applaus spendeten.