Emil spricht

Kino Bourbaki, 27.9.2013: Emil Steinberger kommt die Ehre zuteil, bei der filmischen Porträt-Reihe «Plans Fixes» mit dabei zu sein. In gerade mal fünf Einstellungen (plans) spricht er dabei gut eine Stunde in die Schwarzweiss-Kamera.

Die «Plans Fixes» seien etwas typisch Westschweizerisches, heisst es in der Einleitung. Das Projekt wurde 1977 ins Leben gerufen, und das Konzept hat sich seither nicht geändert: Während ungefähr einer Stunde wird eine prominente Person interviewt, das Interview wird von einer Schwarzweiss-Kamera in fünf fixen Einstellungen (plans fixes) à 10 Minuten festgehalten. Die Aufnahmen werden veröffentlicht, ohne geschnitten, wiederholt oder sonstwie bearbeitet zu werden. Alles, was in der Romandie Rang und Namen habe, sei bereits vor der «Plan Fixes»-Kamera gesessen. Die bisher gesammelten 1286 Interviews können unter plansfixes.ch online angeschaut werden. Eine beeindruckende Sache also. Aber nun zum gestrigen Abend: Gezeigt wurde im Kino Bourbaki «Plans Fixes»-Nummer 1280, mit unserem Lieblingsluzerner Emil Steinberger. Dieser war, zusammen mit seinem Interviewer Peter Rothenbühler, eigens aus Montreux angereist, um das Publikum zu begrüssen. Viel sagen wollte er aber leider nicht, denn er rede ja dann im Film genug. Im Film dann redete er tatsächlich viel: Über sein Leben, seine Arbeit und seine aktuellen Projekte. Beeindruckend fand ich, dass Emil Steinberger seine 80 Jahre ganz und gar nicht anzumerken sind. Er könnte auch 60 sein, strotzt vor Lebensfreude und erzählt von neuen Büchern und Bühnenprogrammen, als wolle er noch lange nicht zu arbeiten aufhören. Noch immer ist er der selbe Emil, der das Publikum zu fesseln vermag und den alle gern haben. Inhaltlich jedoch hatte das Interview wenig Neues zu bieten. Obwohl Peter Rothenbühler offensichtlich viel Zeit in die Recherchen gesteckt hatte, finde ich, dass seine Fragen wenig originell ausfielen. Mehr oder weniger chronologisch fragte er Steinbergers Lebensabschnitte ab, zählte Fakten auf und liess ihn ein paar Anekdoten dazu erzählen. Doch das meiste davon hätte ich auch erfahren, wenn ich Emils Wikipedia-Seite und ein oder zwei ältere Interviews gelesen hätte. Keines der Themen wurde vertieft und eingehender besprochen. Auch Emil Steinberger selber schien nicht so gern in die Tiefe gehen zu wollen. Er bemühte sich, sein ganzes Leben als glücklich und schön und sich selber als eigentlich immer problemlos darzustellen. Seine Arbeit schien ihm immer mühelos von der Hand gegangen zu sein und seine Ideen, seine Entscheidungen, seine verschiedenen Berufe und seine Nummern seien ihm sozusagen meistens einfach zugeflogen. So ordinäre Sachen wie Geld schien sowieso nie ein Problem gewesen zu sein. Alles, was weniger einfach war, tönte er nur sehr am Rand an, was natürlich auch verständlich ist. Doch hätte es mich interessiert, mehr über die Hintergründe zu erfahren. Was bedeutet es, in einer kleinen Stadt wie Luzern ein Studiokino aufzubauen (das «Atelier» selig) und zu führen, beispielsweise. War er als Kabarettist sein eigener Manager und wenn ja, wie hat er sich organisiert? Was sind Vor- und Nachteile davon, ganz alleine auf der Bühne zu stehen? usw. Trotzdem gab es ein paar Dinge, die ich interessant fand und die auch nicht auf Wikipedia zu finden sind: -  Um gut spielen zu können, musste Emil jeweils mit ungewaschenen Haaren auftreten. Seine Rollen wechselte er nämlich manchmal mit nur einem Griff in die Haare, die dann eben nicht gleich wieder in die ursprüngliche Position zurückfallen sollten. -  Das Startkapital für die Gründung des Kleintheaters hat Emil Steinberger schon damals mit Hilfe von Crowdfunding zusammengekratzt. Nur ging das anno 1967 eben noch mit der Post und nicht per Mausklick. -  Emil Steinberger probte jeweils kaum, weil er ohne Publikum nicht spielen kann. Erst durch die Reaktionen des Publikums war es ihm möglich, die Wirkung seiner Nummern einzuschätzen und diese dann zu überarbeiten. So seien seine Stücke bei der Premiere jeweils noch nicht besonders gut ausgearbeitet und zum Teil improvisiert gewesen, aber nach jeder Vorstellung sei es dann besser geworden. Das «Plans Fixes»-Format schliesslich finde ich eine super Sache und eine beeindruckende Idee. Doch fürs Kino ist es nicht geschaffen. Im Fernsehen oder im Internet mag so ein Film etwas Tolles sein und als Zeitdokument und Teil einer Sammlung ist es genial, doch im Kino ist es eher ermüdend, einen Film anzuschauen, der ein so starres Konzept hat, sich so stark auf den Text konzentriert und visuell so wenig Abwechslung bietet.