Elektro-Aktivismus

Südpol Club, 21. Februar 2014: Marschierende Stakkato-Beats, uniformierte Kleidung und eine androgyne Stimme, die sich mit dem Patriarchat im Krieg befindet. «Planningtorock» / «Rroxymore» oszillieren zwischen konzertanter Mobilmachung und pumpender Clubmusik – Bestandsaufnahme von der Front im Südpol.

«Es dauert glaube ich noch etwas, sie sind sich nicht sicher, ob sie zusammen was machen wollen» sagt Nico von den Trackselektoren «Die empfohlene Menge», die den Abend (passenderweise) mit sphärischem New Wave ein- und (überaschenderweise) düsterem Crunk ausläuteten. Tatsächlich erwartet dann den etwa zur Hälfte gefüllten Club des Südpols um 22:30 zunächst ein extrem tanzbares Live-Set von Hermione Frank (a.k.a. «Rroxymore»). In  pinkem Traineranzug und den dazu passenden pinken Nike Frees gekleidet sieht sie aus wie eine Femen-Aktivistin in Uniform. Auch Janine Rostron (a.k.a. «Planningtorock») tritt danach im pinken Outfit (natürlich mit den dazu passenden pinken Nike Frees) auf die Bühne und sie spannen in der zweiten Hälfe des Abends zusammen, um dem Patriarchat den Tanzkampf anzusagen.

Beim Live-Set von «Rroxymore» steht der Abend noch ganz im Zeichen von Drum Computer-lastiger, harter Clubmusik. So liessen die faustschlaghaften Beats die Herzen der Tanzfreudigen höher schlagen und der Club des Südpols war nicht wirklich (umfunktionierter) Konzertsaal, sondern (immer noch) reiner Club. Zuweilen liess sie auch Mikrofon und melodische Synthie-Lines einfliessen – was eher störend wirkte. Denn Hermione Frank ist zwar sowohl in Live- als auch DJ-Sets bewandert, was es aber genau an diesem Abend sein sollte, wusste sie selbst nicht so recht. So gelangt sie trotz einer Menge an wunderbar tanzbaren Tracks niemals so richtig an einen musikalisch sicheren, konsequenten Höhepunkt – das Publikum störts nicht. Dank dem von Anfang bis Schluss des Sets mit perkussiver Härte aufrecht erhaltenen Energiepegel gelang der Einstieg in den Abend – da verzeiht man auch den mit der Zeit etwas zu häufigen Gebrauch der Loop/Beatmasher-Funktion ihres Interfaces und die manchmal den Fluss etwas störenden Synthies.

Mit Janine Rostron betritt danach ein regelrechtes Prachtweib die Konzertbühne – wenn man denn den Begriff Weib im hiesigen Kontext überhaupt noch gebrauchen darf. «All Love’s Legal» heisst ihr neues Album, das gerade mal vor einer Woche die Welt erblickte und sofort live getestet wird: «Obviously, we’re playing stuff from the new album now», erklärt Rostron den Zuschauern sympathisch. Und das neue Zeug hat’s in sich und funktioniert Live tadellos. «Let’s Talk About Gender, Baby» zum Beispiel hat alles, was ein Hühnerhaut-Disco-Track haben muss: eine funky-twangige Bassline, Rostrons Stimme, die nirgends verortbar bleibt, den Hörer aber trotzdem einnimmt und Synthies, die irgendwo zwischen Acid House und Electro Funk schwingen.

Rostron stampft dabei unaufhörlich mit und geht völlig im Publikum auf (und umgekehrt) – trotz nicht wirklich vorhandener Interaktion mit demselben. Die brauchte es aber auch nicht. Die gespielten Tracks schufen eine apokalyptische Atmosphäre im Club des Südpols und das Publikum bestand bald nicht mehr aus singulären Nachtschwärmern; dank einer wirklich tollen Performance und grandioser elektronischer Live-Musik formierten sich die Zuschauer zu einer homogenen Tanzmasse, die emanzipatorisch und stampfend auf der Stelle marschierten. Mit «Patriarchy Over & Out» als Zugabe glühte am Ende des Abends das Revoluzzer-Herz. Und (mir macht das ja nicht unbedingt was aus, aber muss es trotzdem immer wieder sagen): Es war verdaammt laut.