Elefantenrennen und konstruktivistische Dekonstruktionen

Museum im Bellpark, Kriens, 14.12.2014: Zwei Berserker der Schweizer Kunstszene sind zu Gast in den ehrwürdigen Räumlichkeiten des Museums im Bellpark. Andres Lutz (*1968) und Anders Guggisberg (*1966) transformieren das Museum in einen Werkplatz mit DIY-Atmosphäre.

Es gibt viel zu sehen im Museum im Bellpark. Die beiden Herren Lutz & Guggisberg, seit den 1990er Jahren gemeinsam in der Gegenwartskunst tätig, haben einen beachtlichen Materialfundus in die Museumsräumlichkeiten transferiert. Der Betrachter bekommt die ganze Bandbreite an Kunstwerken vorgesetzt: Video, Fotografie, Skulpturen und Plastiken aus Holz, Ton oder Beton, Installationen und gar einige Malereien. Bereits der Eingangsbereich mit der Empfangsdame, die ebenfalls zum Inventar zu gehören scheint, ist innenarchitektonisch modifiziert. Man fühlt sich an das Interieur einer nordamerikanischen Jägerhütte erinnert. Eine in die Wandinstallation eingearbeitete Türe bietet den Zugang zum überfüllten und neukonzipierten Foyer. Holz in allen Variationen und Verwendungstechniken dominiert die grossartige Rauminstallation. Ansatzweise ist ein neuer Teppichboden und Holzboden verlegt worden, doch die Handwerker schienen plötzlich Pause gemacht zu haben. Alles wirkt leicht unfertig, in Modifikation stehend und auf die Vollendung wartend. Ein Do-It-Yourself Charme durchzieht die gesamte Ausstellung und zeigt sich in der teilweise dilettantischen Verarbeitungsweise der Plastiken und Objekten. Doch genau an dieser Stelle versteckt sich auch der Reiz hinter den Arbeiten von Lutz & Guggisberg. Das Undefinierte, das Unfertige und das unmissverständlich Triviale zeichnen ihre Werke als anpassungsfähige Zeugnisse einer konsequenten Arbeitsweise aus. Vor allem das skulpturale Œuvre oszilliert stark zwischen technischer Feinarbeit und mittlerer Bastelkunst, was sich in den zahlreichen Konstruktionen aus Naturholz und Restpostenhölzern widerspiegelt.

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Im Sous-Sol trifft der Besucher auf eine in Reih und Glied stehende Krabbeltierarmee. Zecken- und milbenartige Objekte, gefertigt aus Beton, Draht, Styropor, (Schwemm-)Holz und diversen anderen Materialien in Kombination mit Alltagsgegenständen, sind die Auswüchse der fruchtbaren Zusammenarbeit von Lutz & Guggisberg in den Jahren 2005 bis 2014. Viel leichter als sie aussehen und im Schutze der Dunkelheit stehend, scheinen einige sogar funktionale Verwendungszwecke wie Tisch, Wanne oder Schubkarre zu evozieren. Der sechsminütige Videoloop Truck referenziert zu der Tierchenherde in der Form eines Elefantenrennes auf der Autobahn. Zu sehen sind Lastkraftfahrzeuge in der Hinteransicht, die für den kurzen Moment der bevorstehenden Überholungsphase filmisch festgehalten werden.

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Der DIY-Stil zieht sich ebenfalls durch das gesamte Obergeschoss der Ausstellung. Ein Raum widmen Lutz & Guggisberg einer imaginären Schallplattensammlung und deren möglichen Abspielgeräten. Rudimentär gestalten sie Plattencovers auf Karton, spielen mit den Formaten und Elementen von Schallplatten, ohne aber eine einzige Originalplatte in die Rauminstallation zu integrieren. Man vermisst die obligate Rillenstruktur oder die Materialität von Vinyl und Schellack, was die Schallplattensammlung als dünnschichtige Reproduktionsarbeit darstellen lässt. Zusätzlich erfährt die Raumwirkung durch zwei grelle Scheinwerfer eine problematische Ausstellungsszenografie. Ebenfalls wenig überzeugend ist die schwebende Holzschlaufe, zusammengezimmert aus einzelnen Resten von Naturholz und Industrieholz. Diese windet sich unspektakulär durch verschiedene Räume, ohne einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Wieso kann man das Ding nicht in Bewegung versetzen? Viel besser als raumverbindendes Element funktionieren die kleinen Betonskulpturen, die aussehen, als ob sie aus verschiedenen Abfallprodukten einer Grossbaustelle zusammengegossen wurden. Es könnten die Kleinkinder des grossen Produzenten sein, der im Aussenraum den Besucher begrüsst. Eine irritierende Formensprache und kompakte Materialität zeugen von einer durchdachteren Arbeitsweise.

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Eine schöne, poetische Arbeit ist die 3-Kanal-Video-Installation mit dem Titel Galaxy Evolution Melody. Eine unsichtbare Hand lässt simultan auf drei verschiedenen Bildschirmen diverse triviale Werkstattgegenstände ins Bild integrieren. Der Fokus liegt auf einfachsten geometrischen Formen wie Kreisen, Linien und Punkten, die als konstruktivistische Komposition aufgebaut werden, um sie sogleich durch Veränderung wieder zu dekonstruieren.

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«More ist More». Ausstellung von Lutz & Guggisberg. Museum im Bellpark Kriens, Luzernerstr. 21, Kriens. www.bellpark.ch Öffnungszeiten MI-SA 14-17, SO 11-17 Uhr (24./25.12. und 31.12./1.1. geschlossen).