El Tiempo Nublado

Stattkino, 07.05.2015: Die fortschreitende Krankheit ihrer Mutter zwingt die schweizerisch-paraguayische Filmemacherin Arami Ullòn, in ihre Heimat zurückzukehren, um eine Lösung für die Betreuung der betagten Frau zu finden. Da sie «für Projekte mehr Energie aufbringen kann als für ihre persönlichen Probleme», beschliesst sie, diese Reise zu dokumentieren. Es gelingt ihr, einen zutiefst berührenden Film über ein Thema zu drehen, mit dem wir uns früher oder später alle auseinandersetzen müssen: Was machen wir mit unseren Eltern, wenn sie alt und krank sind?

Von der ersten Einstellung an, verblüfft dieser Film mit einer aussergewöhnlichen Nähe und wunderbaren Bildsprache, die eher an einen Spielfilm als an einen Dokumentarfilm erinnert. Ich bewundere Vieles: Die Unbefangenheit und Ehrlichkeit mit der die Protagonisten vor der Kamera ihre persönlichsten Gefühle zeigen, die feinfühlige Kameraarbeit, die Farben, Stimmungen und eindrücklichen Schauplätze. Fast lässt das alles vergessen, dass dies keine konstruierte Geschichte ist und es die Regisseurin selbst ist, die vor der Kamera steht.

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Im Interview nach dem Film erzählt Arami Ullòn, wie es dazu kam: Einerseits hätten sie Unmengen von Bildmaterial produziert - aus 90 Stunden Filmmaterial ist schliesslich ein neunzigminütiger Film geworden - andererseits sei das Vertrauen zwischen allen beteiligten Personen sehr gross gewesen. Ein weiterer Faktor war, dass niemand der Crew spanisch verstand, die Sprache in der die meisten Gespräche stattfanden. So konnten sie sich unterhalten, ohne verstanden zu werden und gleichzeitig konnte sich die Crew ganz auf die Stimmungen konzentrieren. Die Distanz zur Geschichte hätte sie selber während des Drehs in keinem Moment gehabt. Erst später im Schnitt konnte sie beginnen, für den Film die nötige Distanz zu schaffen.

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Die Balance zwischen Nähe und Distanz wird dann im Film trotz des sehr persönlichen Themas gut eingehalten. Es gibt viele Szenen und Momente, die nahe gehen, doch wird dem Zuschauer dazwischen immer wieder ein bisschen Luft zum Verschnaufen gegeben. Auch hat man als Publikum nie das Gefühl, voyeuristisch allzu intime Szenen anzuschauen. Vielmehr sollen die Zuschauer sich mit dem Film identifizieren und über ihre eigene Geschichte und Familiensituation nachdenken können, sagt die Regisseurin. Dies bezeugen auch die Publikumsreaktionen nach dem Film.

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Tatsächlich greift der Film nebst der Frage nach der Betreuung von betagten Menschen noch viele andere universelle Themen auf. Es geht um die Beziehung zwischen Eltern und Kindern, um Schuldgefühle und Verantwortung, um die Suche nach Heimat, Einsamkeit, Liebe und den Tod. Ein sehr vielschichtiges und berührendes Werk, das sich auf jeden Fall zu sehen lohnt.

Zum Trailer Der Film ist noch bis am 20. Mai im Stattkino zu sehen.