Eine Wand abtasten, ohne sie zu berühren

Alpineum Produzentengalerie, 03.10.2014: Der L-förmige Ausstellungsraum der Produzentengalerie ist zu einem Schauplatz von systemgebundenen Blickrichtungen geworden. Wie man eine weisse Wand ohne Bildmaterial betrachten kann, zeigt Karin Lustenberger in einer raumgreifenden Installation.

Für jede Katze wäre die aktuelle Ausstellung Ach Achsen von Multimediakünstlerin Karin Lustenberger in der Alpineum Produzentengalerie die reinste Tortur. Kleine, rote Punkte (und einer in Grün) tänzeln nervös an den weissen Wänden des Ausstellungsraumes. Auf und ab, von links nach rechts oder quer durch den Raum strahlen Laserpunkte und Linien und deuten ein unsichtbares Koordinatensystem an. Modellierte Zeigefinger, verkabelt mit Minisensoren, operieren wie mobile Waffensysteme und fokussieren in programmierten Zeitabständen scheinbar willkürlich die Umgebung. Ein Zehnfingersystem an Zeigefingern, die als Platzhalter für moderne Laserpointer gelesen werden können, markiert Achsen und Punkte im Galerieraum (und im Aussenraum!) und verweisen auf die natürliche Ästhetik des White Cubes, der konzeptuellen Ausstellungsituation mit weissen Wänden. Platziert sind die aus Gips gefertigten Zeigefinger auf weissen Sockeln, an den Wänden selbst oder dem Galerieboden. Die Laserpunkte korrespondieren mit der Oberflächen- und Raumstruktur und suggerieren durch die stetige Veränderung der Standorte eine imaginäre, geometrische Zeichnung. Diese brennt sich zwar nur kurzzeitig in das Gedächtnis, hinterlässt aber den Gedanken an die Möglichkeit einer Bilderhängung.

Spion in der Tasche Neben der zehnteiligen Installation befindet sich im Eingangsbereich, an einer nicht mit Lasern pointierten Wand, die experimentelle 2-Kanal-Videoarbeit My Walk, A Beat. Es handelt sich um eine Gegenüberstellung von filmischen Aufzeichnungen zweier Kameras, die Karin Lustenberger verdeckt in einer Handtasche durch Marktplätze in Luzern und Tel Aviv trug. Die beiden Kameras sind um 180° voneinander abgedreht montiert, so dass die Blickrichtungen der Kameralinsen mit einer fixen Distanz jeweils die Vorder- bzw. die Rückseite von Lustenbergers Spaziergang durch die beiden Städte erfassen. In stakkatohafter Abfolge treffen sich von Unschärfe und perspektivischer Willkür geprägte Bildsequenzen und erzeugen eine verzerrte Wahrnehmung der Realität.

Marionettenhafte Jonglage Ein wildgewordenes Drehmoment präsentierten uns Benjamin Brodbeck und Jonas Althaus als performatives Rahmenprogramm zur Ausstellung. Brodbeck an den Percussions gab den Takt vor, während Althaus mit Jonglierbällen zu hantieren begann. Eine Art musikalische Anleitung, erzeugt durch allerhand triviale Utensilien wie Ketten oder Stricknadeln, führte den Jongleur Althaus durch seine tanzaffine Choreografie. Stets die Bälle entweder am Körper schmiegend oder durch die Luft wirbelnd, schien die Performance als situative Reaktion auf das Ballett der Laserpunkte Bezug zu nehmen und erweiterte das unsichtbare Koordinatensystem in den realen Ausstellungsraum hinein.

Die Ausstellung Ach Achsen von Karin Lustenberger ist in der Alpineum Produzentengalerie noch bis zum 1. November geöffnet. Öffnungszeiten sind DO-FR, 16 bis 19 Uhr, SA 11 bis 16 Uhr oder nach Vereinbarung.