Ein musikalisches Zirkus-Gaudi in der Fussgängerzone

Jesuitenplatz, 08.08.2015: Zeit ist Geld Luxus. Bienvenue chez Sunshine Tours! Willkommen auf einer schrillen Reise voller Überraschungen, akrobatischen Meisterleistungen und einer knappen Stunde Zirkusluft par excellence.

Ein Bühnenwagen, ein paar Festbänke, ein Dutzend neugierige Kinderaugen und ein Kapitän. Kurz vor vier begrüsst der Letztgenannte im übrigens vorzüglichen Französisch das dahergelaufene Publikum und bringt damit einige der dasitzenden Sprachkenntnisse bereits ein erstes Mal ins Straucheln. Voilà. Alles klar. Es schlägt vier, es geht los. Und wie! Ein hupendes Auto, eine kurzzeitig verwirrte Zuschauermenge und eine sich durch die Reihen durchkämpfende Horde Touristen, mit Koffern bepackt, wie es sich gehört. Man will ja schliesslich richtig Urlaub machen. Willkommen bei den Sunshine Tours! Der Kapitän begrüsst alle in bester Laune (und auf Französisch, nach wie vor), Cüppli werden gefasst (übrigens ‚volant’. Vom Dach des Wagens, exakt und sauber vom Coach mit dem Golfschläger geschlagen, direkt jedem der Touristen eines in die Hand. Très bien!) Doch nun soll die Truppe doch erstmal vorgestellt werden. Es gibt einen Kapitän, den hatten wir ja schon. Dann darf der Page natürlich nicht fehlen (inkl. Bündnerdialekt, ebenfalls vorzüglich) und der bereits erwähnte golfspielende Coach. Schliesslich ist Sport immer gut und ausserdem soll es ja bekanntlich als Ventil nützlich sein (für (allfällige) spätere Emotionsstaus). So. Ah und natürlich gibt es da noch die Dame on board, Lazy Eyes. Und der Rest? Mais oui, les touristes. Ob Geschäftsmann mit Burnout-Symptomen, ein millionenschwerer Amerikaner mit Schnauz, die lästige Zürcher Göre oder der muskelliebende Pouletkönig – sie alle verkörpern jenen Stereotypen, der absolut und endlich mal Ferien braucht. Gut dass es den Kapitän und die Sunshine Tours gibt. Was den weiteren Verlauf dieses Urlaubs angeht, naja, wer hätte es gedacht, es chlöpft und tätscht ganz schön oft. Meinungen prallen aufeinander, Machtkämpfe werden ausgetragen – kurzum: der Tapetenwechsel unter dem traumhaften Sonnenschirm des Kapitäns tut nicht jedem gut.

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Der Regisseur Daniel Korber erzählt, wie die Geschichte entstanden ist – durch viel Improvisation und gemeinsame Denkarbeit – und was seine persönlichen Herausforderungen bei dieser Produktion waren: Die Zirkusnummern! Jeder kennt sie, alle haben unzählige Jonglage-Einlagen gesehen, wie kann man da den Überraschungsmoment wieder herauf beschwören? Ihm gelingt es auf grossartige Art und Weise, Zirkus-Klassiker ins Geschehen zu integrieren, indem er den Coach als Bindeglied nimmt, der den gestressten Feriengästen immer wieder Aufgaben verteilt. So werden die Diabolos kurzerhand als teambildende Massnahme gebraucht, um die Harmonie unter den Besuchern wieder zu gewährleisten. Und auch als Fräulein Züri sich darüber beschwert, dass das ja also absolut nix gewesen sei mit dieser Diabolo-Nummer, bekommt sie die Chance, etwas von sich zu zeigen. Et voilà, schon ist die Velo-Nummer im Stück eingebaut.

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Insgesamt überzeugt die ganze Truppe mit einem Können, dass sie kaum von einer Profitruppe unterscheidet. Ob musikalisch, schauspieltechnisch oder auf der artistischen Ebene, diese zehn jungen Künstler und Künstlerinnen tragen nicht nur ein beeindruckendes Talent in sich, sondern vermögen, damit Gross und Klein zu begeistern. Strahlende Gesichter wohin man schaut, ein tosender Applaus eines mittlerweile gefüllten Jesuitenplatzes für eine wirklich gelungene zweitletzte Show und ein klitzekleines bisschen Bauchmuskelkater heute früh. C’est vraiment sofort savoir vivre comme ça!