Ein Honky Tonk Abenteuer

«Auf in ein neues Honky Tonk Abenteuer», eröffnet das Festival seinen Pressetext an die Besucher. Das wollen wir uns nicht nehmen lassen und besuchen ein ein paar ausgewählte Lokalitäten. Mother Razorblade und Six Fingër Jäck im Bruch Brothers sowie Weekend Phantom in der Schüür standen auf dem Programm.

Erneut das Konzept zu vieler Bands… Quatsch! Hier soll ausnahmsweise nicht gemäkelt werden. Seit jeher bietet das Honky Tonk Festival die Gelegenheit, verschiedene Beizen und Konzertstätten kennenzulernen, die nicht bei jedem Luzerner auf der Ausgangsliste stehen. 37 Bands in 27 Lokalen, verstreut in der ganzen Stadt, das versprach ein vielfältiges Programm. Für unseren Teil gab es die obig genannten drei Stück, aber jene hatten es in sich. Schon im Bruch Brothers war klar: Das wird eine enge Angelegenheit. Die Besucher drückten sich aneinander vorbei, man wähnte sich am Luzerner Fest, zusammengepfercht wie in einer Sardinenbüchse. Okay, so extrem war's nicht. Aber gerade vor der Bühne wurde es dann wirklich unangenehm und eine touchy Angelegenheit stand an, Berührungsängste folglich verboten. Bitte bitte bitte liebes Bruch Brothers, dreh deine Bühne 90 Grad in Richtung Ausgang. Es kann doch nicht sein, dass sich die Konzertzuschauer auf zwei mal vier Metern vor die Bühne quetschen müssen, wenn die Bar ansonsten so viel Platz bietet. Davon abgesehen passte die Hochburg der Rocker und Metaller sehr gut zum ersten Act unseres Abends: Mother Razorblade aus Basel besteht seit Juli 2011 und röhrt sich mit ordentlichem Hard Rock durch die Schweizer Musikszene. Nach Luzern haben sie es bisher noch nicht geschafft. Umso grösser war meine Freude, die vier Mamas endlich live erleben zu dürfen. Eingangs möchte ich eine mediale Lanze für die Damen brechen: Hier steht keine niedliche Meitli-Band vor uns, sondern vier vollwertige Musikerinnen. Ich werde weiter darauf pochen, dass alle Künstler der Musik gleich behandelt werden. Liebe Medienwelt Schweiz, hör auf mit fucking Gender-Fragen und dem Shit. Oder formuliere diese wenigstens interessant und intelligent. Es verwundert nicht, dass Mother Razorblade demnächst im Gaswerk Winterthur oder an der Bad Bonn Kilbi auftreten werden: Die Damen bereiten Feuer unterm Arsch. Gerade Sängerin Sabrina Tschachtli vermag zu animieren, wenn sie mit ihrer grandios-heiseren Schleifsteinstimme das Publikum anhaut und herrlich unperfekt singt. Die Schweizer Hard-Rock-Antwort auf Björk im Bruch Brothers, passt doch. Flankiert von Bass sowie Gitarre und mit einer grimmig zuhauenden Schlagzeug-Kriegerin im Rücken gabs Pfeffer in die Fresse der Zuhörer. Power, Spielfreude und Groove: Von Abgehen mit wehenden Haaren bis zum Geniessen mit geschlossenen Augen sah man alles im Publikum. Aber noch gilt es weitere Stationen für die Mamas zu absolvieren. Gerade punkto Songwriting wünsche ich mir eine Runde mehr Innovation. Und bezüglich der Instrumental-Skills dürfen die Damen noch zulegen. Nichts desto trotz ein starkes Konzert von Mother Razorblade. Die sehen wir hier bestimmt nicht zum letzten Mal. Gross! Mit Six Fingër Jäck ging der Abend weiter. Dass die Party-Rocker im Vorfeld den Konzertort als «Brunch Brothers» bezeichneten, konnte man ihnen noch durchgehen lassen. Ihre Mucke hingegen ging zumindest in meinen Ohren gar nicht. Ich muss aber eingestehen, dass der Besuch des Gigs mehr zufällig während der Wartezeit erfolgte. Wer die Biografie der Deutschen liest, weiss denn auch, was ihn erwartet: Capt'n Coma, Joe Stick und wie sie alle heissen wollen eine Head-Bang-Pogo-Party, die die Mädels durchdrehen plus Köpfe platzen lassen soll. Und sie möchten das Universum zerstören. Ein Piratenfloss sowie eine Vogelscheuche gibt's zusätzlich oben drauf, huere kuhl. Mit viel Alkohol im Blut lässt sich das gut ertragen. So zumindest gesehen bei den Nasen, die sich den Spass angetan haben und zahlenmässig mal mehr, mal weniger vor der Bühne standen. Noch vor Ende des zweiten Sets ging's dann aber bei uns ab in Richtung Schüür. Spanische Taxifahrer sind unterhaltsam, mit ordentlich Latin und Gesprächen über Estremadura waren wir flugs im offiziellen Zentralschweizer Populärmusik-Tempel (ein schöner Begriff, patentiert by B.B.).

Der Bühnenumbau ging gerade dem Ende zu und kurz darauf standen Weekend Phantom auf der Bühne. Die Jungs müssen wirklich nicht mehr gross vorgestellt werden, spielten sie denn schon öfters auf Luzerner Bühnen. Laut Pressetext begeisterte das Trio die Bishops, teilte mit Nada Surf die Bretter und Einflüsse von Dinosaur JR, The Cure sowie den Pixies werden genannt. Dass die Truppe sich mit Jery Sigrist von Alvin Zealot einen meiner absoluten Lieblings-Luzerner-Gitarristen ins Boot geholt hat für die Live-Auftritte, verstärkt den guten Eindruck umso mehr. Bereits als Vorband von Team Me im November letzten Jahres wussten Weekend Phantom mehr als zu überzeugen. Selbiges auch in der Schüür. Trotz der fortgeschrittenen Zeit versammelte sich eine ordentliche Zuhörerschar vor der Bühne. Es wurde getanzt und geschäkert, der Sound des Wochenend Phantoms kam an. Die entspannten und doch kräftigen Songs stimulieren die Lebensfreude. Ob das jetzt voll nicht Luzern oder mega New York ist, sei dahingestellt: Musik dieser Art ist ohnehin international und schlichtweg schön. Da freut mensch sich umso mehr auf die EP und kommende Gigs. Beispielsweise die Plattentaufe im Treibhaus am 22.06.2013 möchte ich jedem Liebhaber guter Klänge ans Herz legen (au shit, Promo im Journi-Text). Drei Bands an einem Abend bei 37 Angeboten (exklusive DJs), das mag vielleicht ein wenig mager erscheinen. Einen Tobi Gmür & The Homesick Five oder Tomazobi wären wirklich sehr reizvoll zu besuchen gewesen, aber leider liessen es die geografischen und zeitlichen Umstände nicht zu, sofern man denn wirklich ein Konzert in voller Länge geniessen wollte. Ein Abend mit Höhen und Tiefen, aber alles in allem sehr angenehm und gerade beim ersten und letzten Act vollgepackt mit viel Potenzial und Spass. Freude herrscht!