Ein Gipfeltreffen

Am 13. September startete Barfood-Poetry ihre neue Spoken-Word-Saison mit drei Schreibenden, die auch vor Steilwänden und Abgründen nicht zurückschrecken: Arno Camenisch (Graubünden), Rolf Hermann (Wallis) und Elsa Fitzgerald (Bern). Für das Musikalische war der Singer-Songwriter Pascal Gamboni zuständig.

Kein Zufall, dass Pascal Gamboni vor allem auf Rätoromanisch (und nur zwischendurch auf Englisch und Französisch) singt: An diesem Abend drehte sich alles um das Entlegene, das Ländliche, das zuweilen – wie etwa das Rätoromanische – nicht weniger exotisch und sonderbar als die grosse Stadt ist. Rolf Hermanns Texte auf Walliserdeutsch singen ein Lied von diesen Sonderbarkeiten. Sei es das «Geiti-Marie», die 83-jährige Grossmutter, welche die undankbaren Nachkommen auf ihrer Alp massakriert, oder die Ehefrau, die ihren Mann nach dreissig Jahren zum ersten mal wieder küsst, weil er sich als Schaf verkleidet hat: Hier tun sich zwischen den Gipfeln die Abgründe auf. Die Übellaunigkeit und selbstzufriedene Unzufriedenheit der Bergbevölkerung bringt er gleich mehrmals zum Ausdruck: «Ich bin muff, muff, muff, aber es isch guet eso.» Hermann war erst kürzlich an den Rigi-Literatur-Tagen zu sehen, wo er im Trio der Gebirgspoeten bereits einige der hier präsentierten Texte vorgetragen hatte. Das dürfte ausser den Rezensenten niemand gestört haben, handelte es sich doch um ein gänzlich neues Publikum.

In breitestem Bündnerdialekt kommen die kurzen Geschichten von Arno Camenisch (Teil der Dichter-Gruppe Bern ist überall) daher, die sich um Landfussball, Nacktwandern im Appenzell und das Trinkverhalten der Schweizer Bevölkerung drehen – «in Graubünden trinkt man nur Heineken aus der Flasche mit einem Aufdruck von Calanda.» Zwischendurch wird er auch nachdenklicher, wenn er etwa über den Abbau des Service Public sinniert und damit schliesst, der Letzte «solle doch das Licht löschen», wenn den Bergdörfern nichts mehr als eben dieses Licht übriggeblieben ist. Nicht weniger auf dem Land verwurzelt wirkt Elsa Fitzgerald (Ariane von Graffenried), die zwar in Bern lebt (und ebenfalls als Teil von Bern ist überall keine Unbekannte in der Spoken-Word Szene ist), gerne aber etwa die Dorfjugend von Gündlischwand porträtiert. Als zwei deren Vertreter sich entscheiden, mit dem ländlichen Badboy-Image ernst zu machen und in den Coiffeur-Salon des Dorfes einbrechen, werden sie prompt von einem Bergsturz begraben. Der Berg hat zurückgeschlagen. Dem zahlreichen Publikum scheint es sehr gefallen zu haben, für die Künstler wurde solange applaudiert, bis sie für eine Zugabe die Bühne noch einmal erklommen.