Ein Abend mit einem tiefen Glücksgefühl als Nebenwirkung

Drei Konzerte, drei Soloshows, drei Namen: Angelo Spencer, Karl Blau, Kimya Dawson. Der gestrige Montagabend im Südpol war in dreifacher Hinsicht hinreissend. (Anti-)Folkkonzerte mit bleibenden Folgen!

Man geht ja hin, wenn das ehemalige Bandgspänli von Adam Green spielt, das (um den Begriff nochmals zu verwenden) Anti-Folk-Gotti Kimya Dawson aus Washington. Zusammen mit ihrem Ehemann Angelo Spencer sowie Karl Blau ist sie für ihren einzigen Auftritt hierzulande nach Luzern gereist. Und ihre Kinder hatten sie auch noch dabei. Drei Soloshows durfte man erwarten, jedoch mit wechselnder gegenseitiger Unterstützung.  Herrje, zum guten Glück ging man hin, es sollten drei Konzerte der allerfeinsten Sorte werden. Schön zahlreich sind die Zuhörer erschienen, darunter viele ungewohnte Gesichter im Südpol und auch einige Ausserkantonale. Um halb zehn nahm man gemütlich Platz auf der Tribüne. Vor einer weissen Leinwand standen ein spartanisches Drum, eine Gitarre und ein paar Miks – einfach so im Raum auf dem Boden. Schon das sehr sympathisch.

Zuerst kam Angelo Spencer und bedient E-Gitarre, Bass-Drum und Hihat mit Schellenkranz drauf. Er spielte einen sanft rumpelnden Rock'n'Roll. Ziemlich roh und direkt, aber doch auch sehr sanft. Und ein total herzlicher und sympathischer Kauz ist er obendrein. Das Publikum war vom ersten Ton an gefesselt – aufmerksam, gut gelaunt und hungrig nach mehr. Nur die Gitarre wollte nicht so mittun, obwohl Spencer diese doch so virtuos und energetisch spielte. «It will sabotage my show», so Spencer lakonisch. Als dann eine Saite riss, wanderte er in einer Seelenruhe hinter die Bühne, holte den Koffer, daraus eine Saite und machte sich daran, diese langsam auszuwechseln. «I wish I could say something smart», sagte er entschuldigend – doch hatte er das Publikum längst im Sack. Für den letzten Song kam dann Karl Blau dazu und trommelte (mit den Händen, hihi).

Nach einem kurzen Umbau stand Karl Blau alleine mit Gitarre da. Es wurde folkiger, wärmer und sanfter. Eine unglaublich bezaubernde Stimme zu einer basslastigen, sehr kleinen Gitarre. So ging das zwei, drei schöne Songs lang und dann kam's (man kann's nicht anders sagen) ganz dicke. Er nahm Samplinggeräte und ein zweites Mik zu Hilfe und fing an zu zaubern. Zuckersüsse Soulchöre, beeindruckende Acapella-Einlagen und vieles, wozu mir jetzt die Worte fehlen. Es war der Wahnsinn – und der Mann bewahrte trotzdem eine Nonchalance. Seine Tochter übrigens sass im Publikum, lauschte und sang leise mit. Er begab sich immer mehr in Spielereien, ohne eine Sekunde ins Lächerliche zu trampen, begab sich in Hiphop-Gefilde und wusste immer wann genug ist. Das sind die Konzerte, bei denen man im Anschluss gleich gehen sollte – besser kann's ja nicht mehr kommen. Aber schliesslich wartete ja noch Kimya Dawson.

Und es kam noch einmal total anders. Schüchtern und zusammegekauert sass Dawson mit Gitarre auf einem Stuhl und schrummelte statisch ihre Songs – meist aus einem, zwei, höchstens drei Akkorden bestehend und nie länger als zwei Minuten. Es sind Songs mit bizarren Texten, sehr minimalistisch, die aber direkt ins Herz gehen. Aus ihrer aktuellsten CD mit Kinderliedern spielte sie auch: Um jede Menge Tiere und kleine Monster geht es da – ich war (ehrlich!) gerührt. Einen Tick zu lang geriet ihr Auftritt, war es doch schon spät. Aber es machte ihr sichtlich Spass und sie lobte den Raum und das Publikum – dieses quittierte mit Applaus und netten Zwischenrufen. Es war Dawsons Tourneeabschluss gestern, ihre Finger seien wund vom vielen Üben – erstmals habe sie wieder neue Songs geschrieben. Es stimmte einfach sehr vieles gestern und mit einer tiefen Zufriedenheit und in glückseeliger Trunkenheit radelte ich gen Luzern.