Drama um polnische Gefangene

Mehrzweckanlage Steini, 24.10.15: Das Theater Dallenwil nimmt das Publikum mit auf eine Zeitreise in das Nidwalden im Jahre 1942, Zeit des zweiten Weltkrieges. Das Stück «Polenliebchen» handelt von den Sehnsüchten und Frustrationen der daheimgebliebenen Frauen, deren Alltag plötzlich wieder neuen Schwung bekommt, als polnische Internierte im Dorf untergebracht werden, während die eigenen Männer an der Grenze ausharren. Klar, dass das Drama nicht auf sich warten lässt.

Auf einer kargen Bühne, deren Kulisse hauptsächlich aus einigen Holzelementen besteht, nimmt der Kriegsalltag im Nidwaldner Dorf seinen Lauf: Kinder spielen, die Männer verabschieden sich für den Wehrdienst, die Frauen gehen zur Feuerwehr und erledigen die zusätzliche Arbeit, die ihnen die Absenz der Männer beschert. Die Bevölkerung bereitet sich auf die 1. Augustfeier vor, an welcher der gemischte Chor auftreten wird (der wegen Männermangel jedoch zu einem weiblichen Chor wurde) und ein Telltheater gespielt werden soll. Zwischen der eingebildeten und vorlauten Norma (Kathrin Schweizer) und der eher spiessigen Martha (Ines Gut) gibt es die üblichen Zickereien und Emilie (Denise Christen), die Normas Bruder Robert (René Odermatt) heiraten soll, wirkt irgendwie gar nicht so verliebt. Ansonsten ist das Dorfleben eher öde.

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Das ändert sich rasant, als polnische Kriegsgefangene im Dorf interniert werden. Die unterdrückten Sehnsüchte der Frauen werden geweckt. Besonders Norma begnügt sich nicht damit, die Männer nur von weitem anzuhimmeln. Oberleutnant Joseph Hirt (Sascha Bieri) hat jedoch ein wachsames Auge über die Dorfleute und die polnischen Soldaten, denn es gilt ein strikter Interniertenbefehl: Privater Kontakt zwischen den Polen und der Bevölkerung ist untersagt. Trotzdem lernen sich Emilie und der polnische Soldat Marek (Tino Meyer) kennen und verlieben sich heftig. Das bleibt nicht unbemerkt. Auch die korrekte Martha, deren Mann ein Fahrradgeschäft hat, kann bei den charmanten Polen nicht hart bleiben. Sie schenkt dem Major Tadeusz Filipowicz (Sandro Christen) Werkzeug für sein kaputtes Velo (obwohl Velofahren für Internierte verboten ist), um ihm die Flucht zu seiner Familie in Frankreich zu ermöglichen (was natürlich noch verbotener ist). Selbst der Oberleutnant willigt schliesslich ein, die Polen als Kanalarbeiter sowie Sänger und Schauspieler für die 1.-August-Feier einzusetzen. So werden die Internierten nach und nach in die Gesellschaft integriert. Am 1. August, als die Schweizer Soldaten wieder nach Hause kommen, beginnt die Situation jedoch auszuarten. Der polnische Major ist mit dem Velo geflohen und wird bald darauf wieder gefunden und verhaftet. Natürlich wird Martha der Hilfe zur Flucht verdächtigt. Emilie gesteht Robert, dass sie einen anderen Mann liebt. Von da an kommt das Stück plötzlich sehr schnell an seinen dramatischen Höhepunkt, als Robert die Verliebten am See entdeckt und Marek in einem kurzen Prozess erschiesst. Ein Schock für das Dorf. Roberts Vater erfindet kurzerhand die Geschichte eines Vergewaltigungsversuchs an Emilie, bei der Robert in einem heldenreichen Rettungsversuch versehentlich den vermeintlichen Schänder Marek erschiesst. Emilie ist für eine Aussage zu verstört, Norma hält für einmal die Klappe und schaut betreten zu Boden und Martha wagt es endlich, sich zu erheben und gegen die Ungerechtigkeit zu protestieren. Das Stück endet mit der Beerdigung von Marek, bei der Emilie, in Erinnerungen schwelgend, fröhlich tanzt. Das Leben geht weiter.

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Alte Nidwaldner Volkslieder, das einfache Bühnenbild, der Nidwaldnerdialekt und die traditionelle Kleidung vermitteln ein authentisches Bild der Schweiz im zwanzigsten Jahrhundert. Der Krieg ist dabei zwar omnipräsent, er hält sich jedoch immer im Hintergrund. Der wirkliche Fokus liegt auf dem Alltag der Daheimgebliebenen. Sehnsucht, Frust, Eifersucht, Verrat und Liebe sind auch zu schrecklichen Kriegszeiten die Hauptthemen. Und natürlich gehört dazu ein Nationalstolz, wie er heutzutage kaum mehr denkbar wäre (die Kinder schreiben zum Beispiel Diktate über die Vaterlandsliebe). Die Frauen scheinen in diesem Stück das stärkere Geschlecht zu sein. Obwohl sie als minderwertig gelten, schaffen sie es, den schwierigen Alltag alleine zu meistern. Dabei widersetzen sie sich den Männern auf verschiedene Weise: Die Lehrerin trinkt im Verborgenen, Emilie weigert sich, den Vorgesehenen zu heiraten, Norma macht die Männer an, statt sich begehren zu lassen und Martha hilft dem Major gegen den Willen ihres Ehemannes. «Polenliebchen» ist ein unterhaltsames Stück, das durch eine dramatische Geschichte berührt. Von Beginn an werden Spannungen bemerkbar, die sich bis zum Mord steigern. Auch die schauspielerische Leistung überzeugt, was noch zusätzlich bemerkenswert ist, da einige Akteure zum ersten Mal Theater spielen. Zum Schluss ein begeisterter Applaus von Seiten des Publikums – wohlverdient!

Weitere Aufführungen: Von DI 27. Oktober bis SA 14. November, Mehrzweckanlage Steini.