Dr Burki!

 Nichts verhasster, als am Sonntagmorgen an einem Kulturszeneanlass teilzunehmen, im Luzerner Theater, Preisverleihung, alles und alle sind da. Fürchterliche Vorstellung. Aber es gibt wohlbegründete Ausnahmen. Es dennoch zu tun und zu berichten. Wieso und weshalb im Folgenden.

 Von uns Sonntag, 13.11.2011, Luzerner Theater: Der Anlass heisst Übergabe des Kunst- und Kulturpreises sowie der Anerkennungspreise der Stadt Luzern. Also, der mehr als gute Grund fürs Frühaufstehen: Wir haben etwas im Archiv gewühlt und ein Dokument ausgegraben aus ferner Zeit. Was die Investigation ans Licht brachte: Matthias Burki hat schon mal 25'000 Franken eingesackt. Das heisst eben nicht. Er hat uneigennützig das Vermittlungsprojekt bei den Werkbeiträgen von Kanton und Stadt Luzern 2007 eingereicht und gewonnen. Mit anderen Worten: Er ist schuld, dass es «kulturteil.ch» überhaupt gibt! Lob, Preis, Ehre, Ruhm und Dank! Der Jurybericht von anno dazumals hält fest: Das Kulturmagazin, Matthias Burki, Luzern, erhält einen Werkbeitrag von 25'000 Franken Das Projekt «Blogzern» (Arbeitstitel) hat die Jury aus verschiedenen Gründen überzeugt. Aufgrund der Konzentration der Presselandschaft erhalten Veranstaltende und Künstler/innen relativ wenig öffentliches Feedback auf ihre Projekte und Veranstaltungen. Für Kunstschaffende ist eine kritische Rückmeldung zu ihrer Arbeit eine Notwendigkeit. Ein Webblog, der allen offen steht, ist ein zeitgemässes Gefäss, das eine Demokratisierung der öffentlichen Meinung garantiert und den kulturellen Diskurs fördert. «Blogzern» ist ein ehrgeiziges Projekt, und es kann nur dann Erfolg haben, wenn nebst dem erfahrenen Team des «Kulturmagazin», auch neue Schreibende frischen Wind in die regionale Kulturberichterstattung bringen. Der Werkbeitrag soll den Start der Pilotphase (16 Monate) ermöglichen. Was er so alles treibt, dr Burki: Natürlich der Verlag «Der gesunde Menschenversand», vermittelnde Speerspitze des deutschsprachigen Spoken-Word-Geschehens mit CDs und Büchern, Mitgründer Barfood Poetry, langjähriger Redaktionsleiter «Das Kulturmagazin» undundund. Schöne und gute Idee, die Laudatio für Matthias Burki performativ auf der Luzerner-Theater-Bühne von drei seiner Verlagsautoren – Pedro Lenz, Beat Sterchi, Arno Camenisch – geschehen zu lassen. Dr Sterchi, der Lenz und dä Camenisch performten, akkompagniert von Adi Blum am Akkordeon – als Teil der übrigens in Luzern gegründeten Spoken-Word-Truppe «Bern ist überall» – mit zum Grossteil eigens für diesen Sonntag verfassten Texten. Eine der schönen Reihungen der Sterchi’schen Art war dann natürlich, in unterschiedlichen Betonungen, «dr Burki», Luzern kam dran (Chappellebrügg, Löiedänkmou), Camenisch flowte im Bünderdeutsch-Sursilvan-Mix, Lenz verlangte nach eigentlich angemessenen Marschmusig und Majoretten zur Ehren des Preisträgers – genau: «me mösstis mou uusemöögge». Luzern, so der Langenthaler Lenz, mag international weltberühmt sein, ist «aber in der Schweiz eher ein kleiner Fisch». Camenisch hätte auch noch ein paar gute Preisgeldausgebenideen gehabt, aber wir wissen: Matthias Burki hauts nicht ab auf die Malediven; es ist schwerstens zu vermuten, dass das Geld in die Kultur zurückfliesst. Und das «Bern ist überall»-Orchester formierte sich extra, als verwandtschaftlicher Verbund mit Adi und Uli Blum am Akkordeon (als je 1) plus Franziska Senn am Kontrabass. Zweimal gabs auch Anerkennungspreise: Roland Neyerlin, als «Philosoph auf der Walz», wie einer seiner Texte, vorgetragen von Bettina Riebesel, betitelt war, ist ein mobiler Denker, praktischer Philosoph bzw. philosophischer Praktiker, ein Dylan-Verfallener («ein Tramp on the road auf einer never ending tour wie Bob Dylan»), «homme de parole» (im Gegensatz zu «homme de lettre»). Auf den alten Griechen Sokrates angelehnt, setzte ihm Laudatorin Heidi Pfäffli-Bachmann zu guter Letzt einen Lorbeerkranz aufs Haupt. Vielköpfig die Truppe der Alpineum Produzentengalerie, die inzwischen die Stadtseite gewechselt hat und heute in der Neustadt domiziliert ist, als verdienstvolle Selbsthilfeaktion, als kollektiv-demokratisch funktionierender Kunstvermittlungsort. Hilar Stadler (Museum im Bellpark, Kriens) hielt hier die kundige Preisrede.