Doppelt gemoppelt bzw. 1 + 1 ≠ 1 – Koch-Schütz-Studer und The Young Gods in der Schüür

Zwei Namen aus der Nicht-Mainstream-Szene spannen zusammen für eben eine gemeinsame Sache, die Musikmachen heisst. So geschieht es im Fall von Koch-Schütz-Studer und The Young Gods. Luzern/Biel trifft auf Welschschweiz, Impro-Sounds auf Elektro-Rock. Ob beides zusammengehen kann oder nicht bzw. wie gut es am Ende tönt – davon konnte man sich am Donnerstag in der Schüür überzeugen lassen oder nicht. (Von Hangartner Hau und Pirelli Pir)

Hau: Die Arithmetik in Musikdingen muss nicht neu geschrieben werden. Es wäre einfach mal auch der Variantenvorschlag gemacht, dass, wie eigentlich beabsichtigt, 1 + 1 nicht unbedingt 1 ergeben muss. Sondern eher 2. Verschiedenes.

Konkret: Koch-Schütz-Studer (KSS), die tolle Impro-Band, ist zweifellos etwas Extraordinäres auf höchstem spieltechnischem Niveau. Das beweisen die drei Herren mit ihren Instrumenten und Geräten seit nunmehr 20 Jahren. Das zweite Jubiläum: 25 Jahre The Young Gods (TYG). Mitte der 1980er also haben Franz Treichler und seine Mannen den Geräte-Rock (wahlweise attributiert mit «Elektro», «Industrial», «Techno») nicht nur für Schweizer Verhältnisse in grosse Höhen gelupft, Unerhörtes geschaffen, begeistert, stilbildend gewirkt. Jüngst kamen so leicht prätentiöse Projekte mit Streichorchester, TYG als weitere Variante der grassierenden Unplugged-Welle und eine Kollaboration mit Sophie Hunger dazu, zum eigentlichen Kerngeschäft. Vielleicht, so die gewagte These, sind am Ende des Tages TYG eine, wenn nicht schwer, dann doch etwas überschätzte Band. Die gemeinsame Sache ist eine Verdoppelung. Aber ist da auch Mehrwert? Bringts das, dass drei und vier zusammen auf der Bühne mit extremem Improvisationsanspruch musizieren? Bös gefragt: Ist es nicht einfach doppelt so viel Krach? Oder wenigstens: einfach nur lauter? Wird da die Chance, die das neue Ensemble böte, auch wirklich produktiv genutzt? Fragen über Fragen. Und dann das Gerätli-Wesen, ein Bass ist nicht mehr ein Bass, eine Stimme keine Stimme mehr – alles muss durch irgendein Gerätli oder einen Laptop geschlauft und verfremdet werden. Die Frage, die sich einem stellt: Wer macht da gerade welche Töne, wo und wieso kommen sie da und dort aus welchem Gerät? Da wünschte man sich in einem «traditionalistischen» Musikverständnis mehr Klarheit in der Sache. Gut handgemacht sind natürlich nach wie vor die Drums. Da wird im generationenübergreifenden Doppel dicht gewebt und gegroovt. Die Ergiebigkeit des Einsatzes von zwar reizvoller Sitar im Konzert-Intro, von Gitarre und Bass darf letztlich als nicht allzu gross gewertet werden, erst recht, wenn diese Instrumententöne in Konkurrenz zu Martin Schütz’ unüblich gehandhabtem Cello treten. Und es schleicht sich der Eindruck heran, dass in spieltechnischer Hinsicht bei KSS und TYG schon so etwas wie ein Niveaugefälle offenbar wird.

Pir: Ich muss mich der Kritik meines Vorredners vollumfänglich anschliessen. Mit KSS wie mit TYG habe ich je schon unerhörte Sternstunden von grösster musikalischer und dramaturgischer Dichte erlebt, unvergessen etwa KSS’ 30-Abende-Marathon in Zürich oder TYGs grosses Konzert am zweitletzten Boa-Abend. Die beiden Combos aber pflegen einen gänzlich unterschiedlichen musikalischen Ansatz, wo KSS ausschliesslich improvisieren, steht bei TYG der komponierte und klar strukturierte Song im Mittelpunkt, wegen der Samplings bei jedem Konzert im genau gleichen Time gespielt. Man wurde gestern also den Eindruck eines Kompetenzgefälles nicht los. Das wurde zu überdecken versucht mit zahllosen langen Hochdruckpassagen, aber es dünkte einen die von der Bühne dröhnende Energie irgendwie eine simulierte, supponierte; Tempo und Lautstärke allein ersetzen wahre Intensität nicht.

Dann die andauernden Instrumentewechsel: Ungeheure Hektik verströmten sie, und sogar die Drummer liessen es nicht bleiben und setzten sich im letzten Drittel hinter die Küche des je anderen, in einer Art eigentümlichen Rochade. Nun bin ich ja leicht zu begeistern für frei improvisierte Musik, das Konzert gestern aber liess mich einigermassen kalt, irgendwie wars einfach nicht so lüpfig. Ferner wurde die Schüür-Halle infolge wohl des nicht den Erwartungen entsprechenden Publikumsaufmarschs mittels eines sich fast über die ganze Breite spannenden schwarzen Vorhangs auf zwei Drittel verkürzt. Liebe Schüür, es ist ein bereits in den Genfer Konventionen definiertes Grundrecht, während eines Konzerts hinten an der Bar stehen und das Gebotene Bier schlürfend bei freiem Blick verfolgen zu können! Macht das bitte nicht wieder!

Die ausgeprägte Ungemütlichkeit im reduzierten Saal, die für einmal nicht ganz beglückende Musik sowie das Rauchverbot trieben uns wiederholt nach draussen, wo wir den Verlockungen des lauschigen Schüür-Gartens und des Tubakens nur zu gern erlagen. Für diesen Garten sei der Schüür ein grosses Kompliment ausgesprochen: So grosszügig angelegt wie gemütlich ist er, ein wahrer Genuss! Ein Umstand macht Donnerstagskonzerte in der Schüür immer etwas speziell: Muss man mal, kommt man im Parterre auf dem Weg zur Bedürfnisanlage schlagartig mitten in die Salsahölle. Lateinamerikanische Rhythmen, sich schnell und beneidenswert gelenkig schlängelnde Körper … man mag ja nun von der ganzen Tanzerei, und insbesondere von der Salsiererei, halten, was man will; der Kulturschock beim Übertritt zwischen den Welten ist allemal ein Erlebnis für sich.