Die Wüste lebt

Calexico kamen, spielten und waren sich selbst. Die Amerikaner haben es sich in ihrer Wüstenrock-Nische längst bequem gemacht. Fast zu bequem, wie ihr Auftritt gestern im KKL zeigte.

(Von Michael Gasser)

So rücksichtsvoll: Calexico zeigten ihr Herz für die arbeitende Bevölkerung, weshalb ihr Konzert um halb zehn bereits Vergangenheit war. Nicht, dass die Amerikaner ein kurzes Set gegeben hätten, aber für einen Rock-Kontext war es mit halb acht doch ein ungewöhnlich früh angesetztes. Bevor das KKL-Publikum zeitig heim in die Heia ging, bekam es – wie nicht anders zu erwarten war – mit Mariachi-Sounds angereicherten Wüstenrock zu hören, schleppend und melancholisch.

Calexico, nun auch schon seit über zehn Jahren unterwegs, eröffneten den Reigen mit «Windjammer», einem frühen Song. Um zu zeigen, wer die Masterminds hinter der Band sind, stand zunächst nur die Kernformation auf der Bühne: Schlagzeuger John Convertino und Sänger/Gitarrist Joey Burns. Erstaunlich wie sie ihnen selbst im Duopack gelingt, einen Sound hinzulegen, der nicht nur knochentrocken war, sondern ebenso dicht und voll. Obwohl die aus Arizona stammenden Calexico noch nie in Mexiko aufgetreten sind, wie Convertino kürzlich in einem Interview gestand, so gefallen sie sich dennoch als Grenzgänger, die aus der Musiktradition ihres südlichen Nachbarlandes abschöpfen, was es abzuschöpfen gibt – spanische Lyrics, gewollt schmieriger Gesang, spitz trötende Trompeten.    Bei den ebenso sphärischen wie atmosphärischen Liedern der Amerikaner tun sich unendliche Weiten auf. Auch wenn es über Calexico schon häufig, vielleicht zu häufig, gesagt wurde, sie sorgten für einen episch angelegten Westernsoundtrack im Kopf, so sehr trifft das Urteil zu. Bei Songs wie «The News About William» denkt man beinahe unweigerlich an Clint Eastwood, wie er, nach ein paar Morden, in den Sonnenuntergang reitet. Denn die Welt von Calexico ist keine heile, vielmehr eine voller Brüche. Ihre dunklen Klangwelten nehmen zwar häufig epische Ennio-Morricone-Sounds als Ausgangspunkt, steigern sich aber immer wieder in psychotische Momente hinauf, die man eher mit David Lynch assoziiert. Die Einsamkeit, die Calexicos Songs häufig ausstrahlen, wird dadurch verstärkt, dass auf Backing Vocals meist verzichtet wird. Burns, ein Flüsterer vor dem Herrn, singt sich die Dinge allein aus dem Leib, selbst wenn er zwischendurch von bis zu sechs Mitmusikern umgeben ist.

So weit, so beeindruckend. Doch an diesem Abend zeigen Calexico auch Schwächen. Vor allem, wenn sie versuchen, Ryan Adams auf die Spur zu kommen. Dann rauschen zwar die elektrischen Gitarren wie die Hochflut, doch das Ergebnis bleibt schal, der Funken springt nicht über: College-Rock meets Americana, 1000 Mal gehört, 2000 Mal vergessen. Ein Haar in der Suppe gewiss, doch ein spürbares. Was zum Fazit führt, dass Calexico zwar wiederum gefielen, aber für einmal nicht berauschten.