Die Taube in der Hand

Treibhaus Luzern, 22.11.2017: Die aus Berlin stammende Band Gurr spielt das Treibhaus in eine gute Laune, die tanzen lässt und Biere verschüttet und dabei die Musik neben dem eigentlichen Erlebnis verblassen lässt.

 

Den Auftakt des heutigen Abends bildet Mama Jefferson, eine Zürcher Band, die mit fiesen Basslines, durchdringenden Riffs und einer mitreissenden Ballade fast schon mehr Hauptgang als Vorspeise ist.

Nach diesem überzeugenden Opener leert sich der Raum schnell, um die Zeit bis zum Hauptakt des Abends zu überbrücken. So kommt es, dass Gurr plötzlich auf der Bühne steht und ohne viel Aufhebens, ganz nonchalant, den Auftritt beginnt. Es dauert einige Takte, bis alle Raucher und Sitztrinker wieder im Club stehen.

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Gurr ist eine Band aus Berlin, im Kern bestehend aus Andreya Casablanca (voc, g) und Laura Lee (voc, g). Die beiden haben sich während des Studiums kennengelernt und 2012 beschlossen, zusammen Musik zu machen. Ihr Name basiert angeblich auf Lees Taubenphobie und ist gleichzeitig ein lautmalerischer Begriff, der an Lärm und natürlich auch an Girls erinnert. Sie benennen ihren Musikstil «first wave gurrlcore» und beginnen langsam aber sicher Wellen zu schlagen.

Auch ausserhalb der Deutschen Grenzen ist Gurr schon aufgefallen. So haben sie beispielsweise eine Live-Session beim BBC 1 Radio hinter sich und am diesjährigen Blue Balls Festival bespielten sie den Pavillon in Luzern.

 

Beschrieben wurde ihr Sound unter anderem schon als schnörkelloser Indie-Pop, der nie mehr sein will, als er ist, und gerade durch seine Natürlichkeit und Einfachheit erfrische. Diese Beschreibung klingt jedoch mehr nach musikalischem Weissbrot, nach Langeweile und Monotonie, und ist alles andere als schmeichelhaft. Nichts ist schlimmer als eine Band, die nur sicheren Sound spielt, die sich für den Spatz in der Hand entscheidet, wenn es auf dem Dach noch eine fette Taube gibt. All diese Beschreibungen verschwiegen aber, was die Band wirklich ausmacht.

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Gurr ist mehr Energie als Melodie. Sehr schnell wird klar, dass diese Band live erlebt werden muss. In keinem Augenblick stehen die beiden Frauen auf der Bühne still. Ständig hüpfen, tanzen und springen sie, und stecken so auch das Publikum mit ihrem Enthusiasmus an. Mit einer starken Präsenz führen sie durch ihre Songs, suchen den Wortwechsel mit der Zuhörerschaft, was sich jedoch (vielleicht typisch zentralschweizerisch) schwieriger gestaltet als erwartet.

So paradox das auch klingen mag, aber die einzelnen Songs wirken zum Teil wie Beigemüse zum eigentlichen Ereignis. Sie bleiben nicht im Gedächtnis. Was aber bleibt, ist das Gefühl, das Gurr vermittelt. Der Garage-Pop-Indie-Sound wird zum Soundtrack der guten Laune. So sind die besten Momente diejenigen, bei denen die beiden Frauen sich ganz treiben lassen, voll aufdrehen, sich auf den Boden werfen oder mitten in die Menge stürzen, wo dann Bier- und Wasserfontänen entstehen, die den einen oder anderen Gast angefeuchtet und euphorisch weitertanzen lassen.

Leicht beschwipst und mit einem Lächeln auf den Lippen verabschiedet sich Gurr, nach einem energiegeladenen, aber doch eher kurzen Konzert, in die Nacht. Nicht ganz sicher ob Mittwoch oder Donnerstag ist. Genau wie das Publikum.