Die ravende Jazzbanane

Südpol, 09.10.2014: Mit einem Free-Jazz/Math-Rock-Gemisch durch den Abend raven? Das amerikanische Trio Zs ermöglicht diese schräge Kombination. Im Südpol fehlten hierfür nur noch die tanzende Banane und ihre Freunde.

Vor vier Jahren fiel am Jazzfestival Willisau die Formation Little Women aus. Ein Ersatz musste her, der in der Formation Zs gefunden wurde. Dabei ergab sich folgende Konversation: Lichtler: «Was wollt ihr für Licht?» - Zs: «Strobo» (Blitzlicht, Anm. der Redaktion) - Lichtler: «Wann?» - Zs: «Immer». Was in den folgenden eineinhalb Stunden Konzert (mit einer kurzen Entspannungspause) tatsächlich umgesetzt wurde. Die Hälfte des Publikums verliess im Verlaufe des Konzertes den Raum, die andere hingegen blieb gebannt sitzen. Kurz darauf schrieb Ueli Bernays (NZZ) über das «eindrückliche Punk Jazz Trio aus Brooklyn», welches die Konzertgäste vor den Kopf stiess und als Überraschungsact die damalige Festivalprémiere des neuen Leiters Arno Troxler gelungen begleitete.

Dieser war denn extra von Willisau angereist, um die drei Jungs erneut in Aktion erleben zu können. Allein war er nicht: Bekannte Gesichter vom B-Sides, Treibhaus oder der Jazzhochschule  waren ebenfalls anzutreffen. Zs bespielten nämlich den Züdpol, und die Spannung war gross. Immerhin geisterten bereits Wochen vorher Videos ihrer Auftritte herum. Jenes der kultigen «Chris Gethard  Show» etwa fiel besonders auf. Dort ist im Publikum nebst skurrilen Figuren eine Banane auszumachen, die zum Sound ravt. Leider war sie nicht anwesend, ebenso wenig wie ihre Freunde. Lediglich zwanzig Leute versammelten sich im Club-Lokal des Südpi. Vor allem die lokale,  junge Jazzszene – vermutlich am Jammen in der Bar59 oder sonst wo verteilt – hätte sich den Auftritt unbedingt antun sollen. [youtube owVrT1h-iIY nolink] Sam Hillmer (Tenor Saxophon), Patrick Higgins (Gitarre) und Greg Fox (Drums, Electronics) sind drei Typen, mit denen du ein Bier trinken gehen wollen würdest. Der charismatische Bärtige, der nette Schöne, der kuhle Heimlifeiss: In Kombination bringt dieses Trio mit seinem punkigen Gemisch aus Free Jazz sowie Math Rock jeden Saal zum Beben – und dich dazu, ihnen anschliessend jede Runde zu spendieren. Am Anfang klingt das Wellenrauschen des Störgeräuschemeers durch Hillmers Mikrophon. Fox bedient am Computer knacksende, kratzende Samples, während Higgins seine  Gitarreneffekte aktiviert. Dann: Das Mikrophon wird in den Schallbecher geschmissen (nix Ansteck-Mik), während Klänge des Leitmotivs vom Song «Corp» an den Saiten losblitzen. Jenes Riff bildet in den folgenden zwanzig Minuten Musik nur leicht variierend das Songgerüst. Beeindruckend. Wer schon einmal eine einzelne Tonfolge mehrere Minuten wiederholt hat, weiss Bescheid. Währenddessen erschaffen Sax sowie Drums groovende Geräusche. Mal hört man Walgesänge, dann knirschen Zahnräder, untermalt von seltsamen Wirbelbeats. Und schlussendlich die Sequenz, welche insgeheim ein wenig erhofft wurde: Strobo en masse. Fox’s Arme fliegen immer schneller über die Toms, fast schon ekstatisch, es donnert, pocht, hämmert. Gar sieht man den Mann plötzlich mit acht Armen, ein trommelnder Oktopus sozusagen. Das Konzept funktioniert vier Jahre später nach wie vor bestens. Vielleicht nicht mehr mit dem «vor den Kopf stossen»-Effekt, aber auf jeden Fall mit viel Faszination. Des Weiteren sind Zs visuell beeindruckend: Die prächtigen Live-Projektionen von Laura Paris ergänzten sich ideal mit den unaufgeregt-epischen Lichtspielen sowie dem spannenden Modegeschmack der Amerikaner. Drei Könige unter den Avantgardisten.

«The Future of Royalty (something we’re all very curious about)» und ein letzter Strobo-Blastbeat bilden denn auch den Abschluss unter lautem Applaus. Mit dem Gefühl, gerade als einer von wenigen Auserwählten eine irre Show genossen zu haben, wird der Heimweg angetreten… Und Zukunft ausgemalt. Man muss hierbei endlich festhalten, dass Remo Helfenstein bereits innert kurzer Zeit den Übergang zum gelungenen Musikprogrammieren nahtlos geschafft hat und ein richtig gutes Programm zusammenstellt. Gerade mit solchen Jazz-Experimenten vollbringt er zudem das Kunststück, Neuentdeckern jenen nicht immer einfachen Musikbereich schmackhaft zu machen. Was folgt wohl, wenn die hiesige Szene mit dem Bau der neuen Musikhochschule Nachbarin des Südpols wird? Gleichzeitig liest man mit Kopfschütteln Aussagen hiesiger konservativer Parteien, welche dringend benötigte Subventionsgelder kritisieren. Und wünscht sich, dass Zs auch einmal (zweimal, dreimal) bei diesen auftauchen und ihnen vor den Kopf stossen.