Die Magie des Fliegens

Neubad Luzern, 31.03.2016: Überraschungskonzerte sind immer etwas ganz Besonderes. Sie passieren unerwartet und besitzen einen grossen Effekt. So auch an diesem unscheinbaren Donnerstagabend im Neubad-Pool, wo eine junge Schweizer Band für goldene Momente sorgte.

Bad Bonn Kilbi, B-Sides und Magie: Begriffe und potenzielle Auftrittsorte, die einem durch den Kopf geschossen sind, während man den Klängen eines ungemein spannenden Trio lauschte. Die Gruppe nennt sich East Sister, besteht aus den beiden Luzerner_innen Laura Schenk (keys, voc) und Amadeus Fries (dr) sowie der Genferin Lorraine Dinkel (voc, g). Kennengelernt haben sich die drei Profimusiker_innen im Rahmen ihres Studiums an der Musikhochschule Basel. Gerade Schenk und Fries sind auch in der freien Improvisation aktiv (man beachte ihr spannendes Trio «Yeti Crab» mit dem Luzerner Saxofonisten Elio Amberg) – und jene Tendenzen schimmerten zu Beginn des Sets durch. Musikalisch ging das gut auf. Performerisch wirkte der Start hingegen ein wenig verunsichert und aufgeregt, aber gerade dadurch ungemein sympathisch; der Pool begann sich mit einer ganz speziellen Aura zu füllen. Diese bestand aus sehnsüchtig-melancholischen Indie-Melodien, deren ganz besondere Eigenheit zwei so unterschiedliche wie wunderbar harmonierenden Gesangsharmonien zugrunde lagen. Synthies und Gitarre bildeten den Wind, welcher zum losgelösten Fliegen  animierte, stets gesichert durch ein äusserst präzises, ungemein impressives Schlagzeugspiel. Die Kompositionen wirkten vermeintlich traditionell, gespickt mit allerlei interessanten Strukturen und Intervallen. Spätestens der Refrain des Stücks «Golden» markierte dann den Punkt, «where the magic began to happen». [youtube c7vNCSEJiJ4 nolink] Wenn geschätzte 100 Zuhörer_innen andächtig mitzuwippen beginnen, bedeutet das nämlich vor allem eines: Die Musik berührt ganz tief. Der Song ging mitten ins Herz, liess einen wie in Trance verweilen. Gänsehaut. Spätestens hier startete auch der Wunsch, dass diese Band es noch ganz weit bringen möge. Denn auch sonst machten East Sister sehr vieles richtig. Keine langen Pausen, wenige sowie unangestrengte Ansagen; man verliebte sich gar ein wenig in das französisch angehauche Englisch Dinkels, welche die Begrüssung und den Abschied übernahm. Und auch die Attitüde stimmt, wie man im anschliessenden Gespräch mit den Musizierenden erfuhr. EastSisterGroup Gelegentlich wirkte die Bühnenpräsenz zwar noch ein wenig verhalten und steif. Doch das ist eine Sache der Erfahrung – die Band hat gerade einmal eine Handvoll Konzerte gespielt – und sollte sich bei jenen drei talentierten Musiker_innen ohnehin von alleine verbessern; immerhin wurde ein Song von Sonnymoon gecovert, was genug Inspiration impliziert. Leidtragende dieser tollen Performance war die sympathische amerikanische Singer-Songwriterin Rachel Ries, die mit ihrem überklassischen Mix aus Stimme + Gitarre/Klavier sowie belanglosen Geschichtchen im Anschluss etwas gar unspektakulär wirkte. Dementsprechend leerten sich die Zuschauerränge langsam. Ihre bemerkenswerteste Ansage wiederspiegelte den Kern und das Fazit des Abends am besten: «Please give an applause for East Sister. They're awesome!».