Die Klimax der Avantgarde

Südpol, 14.5.2015: Schnellertollerbesser sollten sie sich nennen, die drei Elitemusiker von Schnellertollermeier. Was das Avantgarde-Trio in der tropischen Hitzenacht bot, war mehr als nur ein Konzert. Faszination, Lektion und Meditation lauteten die Schlagwörter.

 «Das ist eine der aufregendsten Platten, die in diesem Land erschienen sind», so das Zitat von Christoph Fellmann, Kulturredaktor beim Tages-Anzeiger über «X» von Schnellertollermeier. Man mochte jene Aussage im Vorfeld ein wenig vermessen finden, denn solche grossen Worte bergen für eine Band nebst den positiven Faktoren auch einen ungeheuren Erwartungsdruck, sowohl in Bezug auf die Zukunft als auch Gegenwart. Gegenwart, das war für Schnellertollermeier an diesem Abend ihr Konzert im Südpol. Zugegeben: Die Erwartungen waren riesig, ergänzten sich aber gelungen mit dem Setting: Luzern erlebte eine schwüle Tropennacht, dementsprechend leer war der Club, alle Anwesenden sassen draussen. Die Ausnahmen: Benedikt Sartorius, Kulturjournalist und DJ, welcher seine musikalischen Schätze präsentierte sowie das Technik- und Barpersonal. Doch wie auf Kommando begann sich der Raum mit sehr vielen Menschen zu füllen, just in dem Moment, als Andi Schnellmann (eb), Manuel Troller (g) und David Meier (dr) auf die Bühne hüpften. Nochmals Gitarre stimmen et on y va! Mit diesem Video könnte der Text hier eigentlich schon beendet werden. Schnellertollermeier boten bereits mit dem Konzertanfang respektive ihrem Titeltrack «X» ein Highlight sondergleichen. Klangmantras, repetitiv wie ein Technotrack, dynamisch wie ein Jazzstück, groovig wie ein Rockhit, mit immer stärkerer Intensität. Und dann die Klimax, als Schnellmann in die tiefen Bassregister wechselte: Gänsehaut. WOW!

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Die Band bot in der folgenden Stunde eine Musik-Lehrstunde. Troller ist der Effektgerätespezialist, bedient diese wie einzelne Instrumente (was sie bei tieferer Betrachtung auch sind), blitzschnell, präzise, faszinierend. Stutter-Einwürfe, Loops, Twohandtapping und mehr: Alles wird eingebaut. Schnellmann hingegen arbeitet mit wesentlich weniger Pedalen, konzentriert sich dafür stärker aufs Instrument sowie dessen Potenzial. Und Meier, der sitzt in einem Pool an verschiedenen Perkussionselementen, die er mal mehr, mal weniger einsetzt: Sozusagen ein Mittelding seiner beiden Mitmusiker, was die Nutzung von Interna und Externa anbelangt. In einem Punkt sind sie jedoch alle gleich: Drei Virtuosen, jeder ein Kaiser an seinem Instrument; unglaublich. Mensch wähnte sich mal in einem tibetischen Tempel, dann an einer New Yorker-Hardcore-Punk-Feier und plötzlich wieder unter einem Wasserfall, mitten im Naturspektakel. Das war ungemein beeindruckend sowie spannend, sodass die Zeit wie im Flug verging – was auch der einzige Kritikpunkt im herrlich aufmerksamen, hochkonzentrierten Publikum blieb: Das Konzert war zu kurz. Aber ist nicht alles zu kurz und zu wenig, was unglaublich gut ist? Die Zugabe bestätige diesen Eindruck: Ohne Beleuchtung und nur mit Heulschläuchen ausgestattet, lieferten Schnellertollermeier eine tiefenentspannende Abschlussmeditiation, inklusive Einbezug der Zuhörer: Die Mikrophone wurden so scharf eingestellt, dass jeder Huster, jedes Geräusch vor der Bühne  in mannigfacher Lautstärke aus den PA-Boxen schallte. Spätestens dann war klar, dass Kollege Fellmanns Aussage eine weitere Komponente hinzugefügt werden musste: Das war eines der aufregendsten Konzerte, das dieses Land je erlebt hat.

Weitere Auftritte: 28.5.: Bad Bonn Kilbi, 6.6.: Toxoplasmose Festival, 13.6.: B-Sides Festival