Die Jungs mit der Gitarre

Der Geschichtenerzähler Stephen Burch alias The Great Park und das kanadische Multitalent Jason Collett spielten gestern beide solo an der Gitarre im Südpol. Singer-Songwriter-Kunst auf höchstem Niveau – und tiefst ergreifend.

Ein Stuhl in der Bühnenmitte in einem Scheinwerferkegel. Daneben der Gitarrenkoffer, davor das Mikrofon – das war die Grundaustattung für diesen Abend mit zwei Konzerten.

Es war an The Great Park, das Güdisdienstags-Kontrastprogramm zu eröffnen. Der in Berlin lebende Engländer spielt nicht Songs im klassischen Sinn, sondern erzählt von Gitarren begleitete Geschichten. Das sind keine Strophe-Refrain-Strukturen, keine dramaturgischen Kniffs in den Songs, sondern schlichte und ergreifende Intimität. So dass man sich als Zuhörer etwas als Voyeur vorkam, wenn dieser sympathische aber zerbrechlich wirkende Engländer seine Seele aufs Wunderbarste offenbarte. Und es ist eine Kunst, solche Weltschmerz-Songs ohne den Anflug von Weinerlichkeit zu singen. Das waren Songs, auf die man sich einlassen musste – und das tat das Publikum glücklicherweise grösstenteils. Denn dann konnte man kaum mehr von ihnen lassen. Stephen nahm das Publikum ein mit seiner offensiven Ehrlichkeit und dem charmanten Dialekt, in den er jedes Wort wohlüberlegt bettet und artikuliert und sich ganz auf dessen Wirkung verlässt. Er erzählte von seinen einsamen letzten Weihnachten in Berlin, die gerade deswegen die schönsten waren, seit er 6 ist. Und die Zugabe schliesslich widmete er der Emmentaler Gemeinde Schangnau, in die er sich mal verfahren hatte.

Der Kandier Jason Collett zog es vor zu stehen. Man kennt ihn vielleicht von Broken Social Scene, kürzlich hat er sein Schauspiel-Debüt gegeben – was sicher nicht falsch ist. Dem Mann bekommt es gut, vor Publikum zu stehen, seine Songs und Ansagen unterlegt er mit einer gehörigen Coolness. Was für ein Gegensatz zu Burch, der dem Publikum kaum in die Augen zu schauen getraute. Und was für ein Gegensatz zu dessen weichem Englisch war Colletts hemdsärmliger, rauher Kanada-Dialekt. Was gemeinsam ist: Colletts Songs sind genauso wunderbar und in den besten Momenten von gleicher Intensität. Doch sie unterscheiden sich in der Grundform, sind mal gedämpft leise und brechen aus, haben ausgeklügelte Zwischenspielereien (die Collett mit lustigen Kopfstimmlauten untestrich). Doch man merkt, dass die Songs für eine Band gemacht sind (wie sie auch auf CD zu hören sind) – und interessanterweise wurden Colletts Songs trotz mehr Abwechslung schneller mal etwas eintönig. Einen brandneuen Song hatte er während den vorangegangen Deutschlandkonzerten an den abgetretenen Deutschen Verteidigungsminister Guttenberg gerichtet, sein Titel: «Don't Let the Truth Get to You». Genauso toll die Anekdote, wieso er bei einem Song nun immer an Arnold Schwarzenegger denken muss: Während des Wiener Konzerts habe in der ersten Reihe einer andauernd in österreichisch gefärbtem Englisch mitgesungen. Darüber hinaus lernten wir grundlegende kanadische Weisheiten – und was man in einem Kanu alles tun kann. Ein fantastischer Singer-Songwriter-Abend, der in Erinnerung bleiben wird.