Die heutige Jugend

Der Verlag pudelundpinscher veröffentlicht Texte des schreibenden und illustrierenden Zuger Nachwuchses. Ein Plädoyer für eine kreative Jugend.

Bild: zVg / Nora Munz, Lou Vogel

«Die heutige Jugend ist von Grund auf verdorben, sie ist böse, gottlos und faul», hat einer vor gut dreitausend Jahren auf eine babylonische Tontafel geschrieben. Und wie sieht es heute aus? Das zeigt die Anthologie «45 Minuten. Junge Literatur aus Zug», die soeben im Verlag pudelundpinscher erschienen ist, herausgegeben und lektoriert von Thomas Heimgartner. Der Titel ist Programm: 45 Texte von rund einer Minute Lesezeit, verfasst von Schreibenden mit Jahrgängen zwischen 2001 und 2005.

Die heutige Jugend, das zeigt der von Schülerinnen und Schülern der Kantonsschule Zug illustrierte Band, ist aber klug und talentiert. Die Themenpalette dieser Texte – Kurz- und Kürzestgeschichten, Gedichte und Texte, die man gerne auf einer Slam-Bühne hören würde – ist breit gefächert: Natürlich tauchen erste Liebe und ähnliche Gefühle auf, Konflikte mit Familie und Freunden, Druck in Schule und Sport.

Doch diese Autorinnen und Autoren interessieren sich für viel mehr als sich selbst: Mit viel Empathie schreiben sie über alte Menschen, über das Sterben, über grosse Gefühle wie Trauer, Wut oder Glück. Sie überlegen, ob einem das Glück einfach so zusteht; denken erzählend darüber nach, wer dafür verantwortlich ist, die in Schieflage geratene Welt wieder in Ordnung zu bringen; wie der politischen Ordnung und unfairen Machtstrukturen der eigene Mut entgegengestellt werden kann. Immer wieder werden eigene Wahrnehmungen geschickt hinterfragt, wird das eigene Denken infrage gestellt, wiederholt nimmt ein Text eine überraschende Wendung: Die grosse Freiheit beim Gleitschirmf liegen entpuppt sich als persönliche Katastrophe; eine abenteuerliche nächtliche Reise führt zu einer Erkenntnis, in der der Weihnachtsmann auf einmal keine Rolle mehr spielt.

Und Humor hat sie, die heutige Jugend: Wenn eine alkoholisierte Rabaukin im Rentenalter der Polizei im Elektrorollstuhl ein Schnippchen schlägt oder ein Pilot auf dem Weg nach San Francisco im Cockpit vom Reinigungspersonal des Verkehrshauses überrascht wird, bleibt kein Auge trocken. Nur selten blitzt das Pandemie-Jahr auf in diesen Texten, doch da ist eine trotzige Melancholie zwischen den Zeilen.

Allen, die sich auch in Zukunft über die heutige Jugend ärgern möchten, sei dieses Buch nicht empfohlen. Für alle andern ist es eine literarische Zwischenmahlzeit vom Feinsten und – wer weiss – ein Blick durchs Schlüsselloch auf die Autorinnen und Autoren von morgen. Den einen oder andern dieser 45 Namen wird man wohl früher oder später im Programm eines Woerdz oder eines Literaturhauses entdecken.

Thomas Heimgartner (Hrsg.): 45 Minuten. Junge Literatur aus Zug.

Ein Projekt der Literarischen Gesellschaft Zug, der Bibliothek Zug und des Verlags pudelundpinscher.

Erzählband. Wädenswil, pudelundpinscher. 132 Seiten, mit Illustrationen von Schülerinnen und Schülern der Kantonsschule Zug. Fr. 20.00.