Die Geschwisterschaft des 04#1

Schüür, 16.05.2014: Jong & hässig war der Luzerner Rapper Angel Egli alias Mimiks, als er 2012 mit einem Mikstape den Grundstein seiner Solokarriere legte (Solo, weil vorher schon tätig als MC der Rapcrew Drunken Picasso). Dass er 2013 auf den Hauptbühnen des Royal Arena Festival oder der Swiss Hip Hop Jam jeweils für die internationalen Acts das Publikum einheizte, zeigt, wie schnell Mimiks sich nationale Relevanz erarbeitet hat. Im Nachhinein erscheint es fast logisch, dass er mit seinem Debütalbum - VodkaZombieRambogang ist seit dem 25. April des hiesigen Jahres auf dem Markt - in der ersten Verkaufswoche gleich Platz 1 der Schweizer Charts besetzte. Getauft wurde das Werk vergangenen Freitag in der Schüür. Ein Protokoll.

22:00 -- etwa 30 Leute stehen vor der Abendkasse Schlange, “ausverkauft” sagt es an der verklebten Schüürfassade, Männergrüppchen hängen herum “jo wartemer mol bis öpper tickets rüeft”. Ich passiere die drei Türsteher, zwei junge Herren fragen, wo das WC sei - es gibt schlechtere Gründe, das erste mal in die Schüür zu gehen, als an die Plattentaufe seines Idols. Das Haus hat sich voll seinem heutigen Protagonisten verschrieben, der Barfloor ist mit einem Merchandise-Stand versperrt. Oben im Saal haben sich Fans bereits von der Bühnenabsperrung (wie bei den grossen Openairs) bis zwei, drei Meter nach hinten verklumpt. Luk LeChuck, der DJ von Mimiks, sorgt mit massigen Bässen dafür, dass trotz sich erst füllendem Raum ein wohliger Druck in der Luft liegt. Links vor der Bühne haben sich die 041-Caps tragenden Groupies eingefunden. Ein Kollege, der sich selbst nicht als Hip-Hop-Liebhaber betitelt, läuft mir über den Weg. Er sei nur wegen Kim da, dem Live-Schlagzeuger der heutigen Vorband, besser bekannt hinter den Trommeln von Alvin Zealot. Der Kollege echauffiert sich darüber, dass nur ein ansässiger Act wie Mimiks die Schüür zu füllen vermag, dabei gäbe es doch sonst so gute Bands in Luzern. Er nennt mir seine drei Massstäbe, an denen er Rapmusik wertet, und ich erkenne mein distanziertes Selbst wieder, bevor ich 2009 begann, mich in die Luzerner Rapszene einzufühlen. “Erstens die Technik, da sind die meisten Luzerner nicht schlecht. Zweitens der Sound - ja, damit mein ich den Beat - da hörts bei den Luzernern schon auf, das kann ich einfach nicht ernst nehmen. Drittens der Inhalt. Da fallen sie eh durch.”

GeilerAsAufwärmen 22:43 -- Lui G (GeilerAsDus DJ, doch z.B. auch Mitproduzent von Mimiks’ Album) stellt sich neben Luk und setzt sich die Kopfhörer auf. --  22:47 -- der Saal erstummt, Kim, Sonnenbrille, Wollmütze, viel dunkle Haare auf dem Kopf, macht sich zum ersten Ereignis des Abends, indem er sich hinters Schlagwerk setzt, Applaus, dann rauschen Luzi & Mike (GeilerAsDu, kurz GAD) auf die Bühne, “yeah Lozäääärn!”, die Masse jubelt, und der erste Track Champions, nimmt Fahrt auf. “So vell schöni Mönsche do”, überbrückt Luzi zu Wälttournee. “Nögscht Johr möched mer do Plattetaufi, sender denn au weder debii?” - “Jetzt wärmemer ih före Mimi, hender loscht of Hiiiiip-Hooooop?!” Abakadabra peitscht den Leuten um die Ohren, die Eier wachsen. “Möched Lärm före Kim, möched Lärm före Lui!” - “Dasdo hött obig esch es Fäscht före Mimi, de CH-Rap ond Lozärn. Wenn är chond, denn wemmer, dass er explodiered, denn werd nömm ufgwärmt!” Der Titel des nächsten Tracks ist mir nicht bekannt, es muss sich aber um Hip-Hop handeln, denn der Refrain geht so: “hebed öichi Händ id Loft”, wobei das “Händ” gerne auch mal “Schwänz” sein darf, ich halte Ausschau nach den Rossschwänzen, doch warum sollten alle ohne Schwänze lange Haare haben? “Mögeder no? Mer hend no äiswzöi Lieder. Hender gnueg zTrenke?” Mimiks wird zum Superhelden erkoren, weil er auf die Eins ging, Superheld wird performt. Im Zwischenteil  des Stückes wird der Beat gedimmt, die MCs teilen das Publikum zu Dreien - wer kann lauter lärmen? Dann aber alle zusammen: Hände rauf und Schreien für Mimiks! Die letzte Aufwärmrunde wird angekündigt. “De Mimiks hed gsäid: alli mönd gompe, aber wörklech alli!, schöschd chonder imfall ned!” Ein Meilenstein des Luzerner Raps wird zum Besten gegeben, und sein Name animiert ebenso zum Mitgumpen, wie sein eingängiger Technobeat: Trampolin. Natürlich eine Live-Version inklusive “möched Lärm för öich”, “alli abe, of Vier gompemer ufe”, MCs: “mer send” - Publikum: “geiler as du!” (sich wiederholend). Dann bedanken sich die Künstler bei der Schüür (dem Publikum) und wünschen viel Vergnügen im Weiteren. Die Aufwärm-Imperative fallen bald ins Absurde, denn es folgt eine 20minütige Bisi- oder Nikotinpause draussen im kühlen Maigarten. Die Hip-Hop-Menschen bleiben doch lieber cool, statt in Trance zu verfallen. 23:13 -- Luk bedient nun wieder die Plattenteller. GAD hat sein Werk vollbracht: auch in dieser Zwischenphase bewegen sich die lose verteilten Glieder, und beim Erklingen von Marterias Kids setzt die Crowd zeitgleich mit den Refrain-Sängerinnen ein. Ein Security sondiert mit seiner Maglite, übelriechender Rauch steigt hie und da auf, der Besucher links von mir spielt 2048 auf seinem Smartphone, während der GAD-Show war er meist auf facebook. Ich grüsse an der Bar einen Freund und im Gespräch mit ihm verpasse ich völlig, womit Mimiks sein Konzert eröffnet.

“ech kill kings in serie so wie HBO” 23:32 -- “Schüüüüüür, goz öich guet?” - “Goz öich WÖRKLECH guet?” - “Möched Lärm före Luk, före Pablo, före Mimi!” Pablo: das ist Mimiks’ Backup-MC (der rappt dann, wenn der andere verschnauft und seine Stimme schont). Pablo ist auch der Frontmann von Japrazz, deren jüngstes Treibhaus-Konzert an anderer Stelle dieses Mediums kontroverse Aufmerksamkeit erlangt hat. Gross, damit kommt der Abend auf ein weiteres Rolllevel. Das Publikum konnte den Text schon vor dem Erscheinen des Albums als YouTube-Auskopplung einstudieren, auf den Punkt bringt es nun Zeilen wie “ond ech moss au ned senge wöll ech emmerno de Aleksej dehäime han” zum Abschluss und unterminiert damit Pablos Aufgabe als Backup-MC. Dafür macht es Aleksej alle Ehre, der schon zu Zeiten von Drunken Picasso Hooks (die Refrains des Hip-Hop) beisteuerte und es nun auch für Gross tut. Dann wieder ein Call and Response zur Überleitung: “VodkaZombie...” - “Rambogang!”. “wo äne semmer?” - “Platz Eis!” Folgerichtig wird nun Jongmimi#1 performt. Beim nächsten Intermezzo wird Mimiks unterbrochen: das Publikum übertönt ihm die Rede. Dann kann er doch noch fragen: “Wer hed sAlbum kauft?” - “Wer ned?” - “Chasch grad use go!” - “Möched Lärm före Aleksej!” Die Lärmaufforderungen sind nie zufällig gewählt. Beim nächsten Track Alles neu eröffnet derselbe gesanglich: “ond do esch alles nöi /  chom mer gönd use boy / das esch ned Illinois / ide City mettem Löi.” Es lebt, in diesem Haus. Mimiks braucht nur noch “yo yo” zu sagen und Lärm erschallt. Und er fragt: “was fören Flow hanech?” Cyborgflow ist die Antwort, ein Track, der als Dankeschön für die 4’000 facebook-Likes das Licht der Welt erblickte und wie folgt beginnt: “Schwiiz-Rap-Moses, Miksi esch am riisse wie Coop-Säck.” Wer in der Veranstaltung religiöse Züge suchen wollte, der hat sie bestimmt gefunden. Zwischen dem ersten und dem zweiten Part: “Okey lüüt, stufe zwöi, wo send üchi Händ?” Pablo wird vom Backup- zum Counter-MC: mit aggressiven Blicken werfen sich Mimiks und er wippend die Verse an den Kopf. Wieder: “Cyborg” - “Flow”, dann: “Mimi Nr.” - “1”, dann: “04” - “1”. Das Publikum kennt seine Rolle der Mitgestaltung und es ist expliziter Teil des Gestalteten. “Etz mönder alli döregheie, wenner de Beat ghöred!” Was wohl jetzt kommt?

“ech be broke 4 life denn ech läbe vom applaus” Fade-in einer elektrischen Gitarre, geht über in ein treibendes Sample, dazu der Beat, dessen Snare wie die Peitsche auf römische Galeerensklaven klatscht. Legände heisst das Stück, ein Featuring mit Luzi und Tommy Vercetti (Eldorado FM, Glanton Gang). Ich blicke gespannt zum Backstage-Durchgang: ob wohl Herr Vercetti, diese Berner Rap-Grösse, erscheinen wird? Doch dort stehen nur die Hand voll Brudis, welche das ganze Konzert hindurch ehrfürchtig strammstehen, und Kameramänner. Tommys Part nähert sich an, doch nichts deutet auf ein Ende hin. Ich fragte mich im Vorfeld, ob es wohl die eine oder andere Überraschung geben wird, und da war sie, hocherfreulich: eine unverkennbare englische Zunge stämmt sich an den Klippenrand und schwingt jovial seine Hüfte, die Stunde des Backup-MCs hat geschlagen. Ein mehr als würdiger Ersatz für den Seiltänzer aus Bern. Das Schiff kommt zügig voran, es wird hochmotiviert gerudert.-- Rückbesinnung: “hender loschd of alte shit? aber verspreched mer, dasser metsenged!” Alles was sie schriibt (ein Remix von T.I. & Eminems That’s All She Wrote) ist mit rund 75tausend YouTube-Klicks das wohl populärste Lied von Mimiks’ Mikstapes. Neben Aleksejs Hook hätte auch der sich inzwischen im Ruhestand befindliche Luzerner Jungrapper Moritz einen Part darin, doch dieser genoss den Abend zum Bedauern anderer als Besucher. Das Lied endet mit einem Doubletime-Part (das ist, wenn ein MC so schnell rappt, dass man ihn nicht mehr ohne weiteres versteht). Ein Fan zu meiner Rechten kann eindrücklicherweise den ganzen Part mitspitten, bei den letzten Versen sind dann wieder alle dabei: “hey ond du, du fendsch mis schäissläbe zvell / log, ech ha sones schäissläbe, wöll ech sones schäissläbe [hier befindet sich die Sprechpause, an der sich beim Publikum der Spreu vom Weizen trennt] well”. Licht geht runter, Ruhe. Eine Kurzversion des Zurückkehr-Songs Läbe vom Applaus, eine Freudewelle geht mit dem Ertönen des DJ O-Beats durchs Publikum, da ist viel Wärme zu spüren (Mimiks leitete auf YouTube mit dem Clip dazu die Promo seines Albums ein). Dann Jong & Hässig, der Titelsong des Mikstapes. Pablo macht Ausdruckstanz, während Mimiks sich runter  zur ersten Reihe gesellt, er bemerkt seine Alleingelassenheit und holt Mimiks wieder rauf. Am Ende liegt er am Boden, Pablos Begründung: “das esch eifach soo krass gsi!” Wieder Call&Response: “VodkaZombie” - “Rambogang!”

Zur Geisterstunde 00:00 -- Der Taufakt, Zitat, “vo dem Mäischderwärch, es Stöck schwiizer Rapgschecht, sAlbom vom beschte Rapper ide Schwiiz”. Der Korken ploppt, Mimiks schüttelt, die Masse duscht im Schaum. Es wird herumgehüpft, “say yeeeeeah” - “yeeeah!”. Mimiks’ Stimme wird ernst: “ond jetzt zo öpperem wo mer extrem wechtig esch, mer hend öbbe gliichzitig afo rappe, mer send Brudis sit Tag Eis.” Dave, eine polarisierende Rapfigur (cf. diverse YouTube-Kommentare), geht in Stellung, um die Hook des nächsten Tracks zu singen: Scho sit Tag Eis. “log die Bosse a” wird gerappt, Mimiks streckt seinen Finger in Richtung Brudis am Bühnenrand, Pablo seinen gegen Mimiks. -- “Selled de Dave ond ech echli rappe?” Es folgen die Verse, welche die beiden im Big Time Cypher von SRF Bounce (das Hip-Hop-Format des Jungendradios SRF Virus) zum Besten gaben, als Rappende aus der ganzen Schweiz zum Stelldichein kamen. Eine Demonstration exakter Ausführung von dichter Technikvariation und tiefgreifendem Zusammenspiel zweier Sprechgesangsartisten. Mit der Frage, wer ein “Bowse” (dt. Boss) sei, wird Benä Boss eingeleitet. Rapper werden ja oft als übertriebene, selbstverstellende Angeber abgetan, verblendete Egozentriker. Übersehen wird dabei das “wir” des HipHops: wenn ein Rapper seine Bosshaftigkeit zelebriert, dann tut er das für jeden und jede, die mitfeiert. -- “Selemer no wiitermache? Äine hemmer glaub no”, wird kokettiert. Alles was leuchtet, soll in die Luft gehen, Gast-Act EffE (Uslender Productions) stimmt an zur Hook der Rap-Ballade Zeiger am Limit (ein gutes Beispiel für die oft kritisierten Autotunes in den Tracks der Luzerner Szene). Mit Zeilen wie “Job, Musig, Frau lauft, säg emol, was settech mech beschwäre” wird die wiedererlangte bürgerliche Teilexistenz gefeiert, was die Steilvorlage fürs nächste Stück liefert: “oni Mario hättech emmerno” - “kä Job!”. Der Luzerner Rapper Mario aka Emm tritt heran, TankTopWiissMusig wird performt, alle drei (auch Pablo hat einen Feature-Part) stehen sie zusammen da mit ihren weissen Tank Tops, die bei dem Hochleistungssport den Schweiss im Textil kaschieren (die gestählerten Brustmuskeln glänzen dennoch) und blankrasierte Achselhöhlen zur Schau stellen. Bei der “nie - nie - nie”-Passage mutet der DJ jeweils kurz den Beat, damit das Mitpauken im Volk unten in Reinform zur Geltung kommt. Eine Kamera schwebt am DJ-Pult vorbei, Mimiks geht im Rückwärtsgang vor ihr mit und rappt in die Zukunft.

“show level barcelona, flow level amazonas, hoe level casanova” Nach Lance Armstrong (à la “mini Karriere esch dope”), Pablo zu Mimiks: “du besch scho verfeggt huere guet”, zum Publikum: “fendeder au? dönd chli schreie, mer bruuched en Verschnuufpause.” Das Verschnaufen wird erweitert zum Selfie-Machen mit Freudengesichtern im Hintergrund. “er send so geil! es esch usverchauft! aber etz alli ruhig! liecht abe!” Erneut gesellt sich Luzi zu den Masters of Ceremony, das düster-melancholische Sinke, eine gelungene Kombination der Styles von Moskito und Mimiks, erschallt zu bläulich versetztem Bühnenrauch und warmgelbem Flutlicht, der hymnische Refrain ist Live-tauglich, die Anzünder gehen von alleine in die Luft. -- Man hätte sich denken können: jetzt haben sie uns heruntergeholt. Doch was folgt, sind Partyhits: “ech mach jo jede morge mine portmonee-check ond dänk so: schäisse, ech ha doch geschter 100 usegloo?” Broke 4 Life, lebhaftes Hüpfen, als hätte hier Mimiks den Nerv einer Generation getroffen, die in überflüssigem Konsum und damit einhergehender Geldknappheit lebt. Ohne Beat muss Aleksej auskommen: er bringt den letzten Durchgang des Refrains a capella. -- Völlig unvermittelt: “Ah ech moss schnell wäg.” Aleksej, Luk, Pablo folgen Mimiks in die Backstage. Gemurmel im Publikum. Ist das jetzt eine spezielle Art, um nach Aufmerksamkeit zu verlangen? Schon erste Beschwörungsrufe. Nein: man musste noch schnell die “Rambogang”-Shirts aufstreifen für die Darbietung des gleichnamigen Tracks (und natürlich als Hinweis auf die Merchandise-Ware). Auch hier eine Live-Version: Techno-Beat und Strobo-Licht. Nun die Auflösung: “er send geil, dasser sAlbom kauft hend, er chönd die shirts donde am Stand go chaufe, det chammer auno go fötteli mache met mer ond chli rede”. Pablo brilliert zu dieser Rede spontan mit einer Pantomime, als wäre er einer Improtheatergruppe entlaufen. Ist nun fertig? Scheint so, denn der Track Üsi Ziit ist sehr gemächlich und gibt kaum zu tun für die MCs, er verstrahlt Sättigungsgefühl, nicht von Eroberung wird gerappt, sondern der Tatsache, dass die Gegenwart uns gehört. Luk, Mimiks und Pablo entzücken mit einer Choreographie, zum Schluss brüderliche Dreier-Umarmung.

“ond de bligg mäint…” Doch Nein! Was geschieht! Der Beat (gesampelt mit Katy Perry’s Dark Horse) läuft weiter, Mimiks tritt wieder vor die Leute und schwingt jene Lines von der Zunge, die er im Radiointerview mit Robin Rehmann gleich nach der Veröffentlichung seines Albums brachte und nach eigenen Angaben beim Wenden von etwa 300 Schnitzeln (Angel Egli ist Kochlehrling) im Kopf zusammenschusterte. “Wie hender de Tanz gfonde? scho chli besser als bide letschte Plattetaufi, he?” - “aso mer send etz fascht fertig” - “wenn mer das säged, denn mönd er brüele!” - “aso före nögscht track bruuch ech mini Brudis Mike, Luzi ond Emm” - wer sich auskennt, weiss, dass jetzt die Luzerner Rap-Hymne 2041 kommt, produziert von Kackmusikk, der auch schon an der Red Bull Music Academy in Madrid teilnahm und im Zusammenhang des Luzerner Korsett Kollektiv bekannt ist  - “ou ond de Dave [er singt die Hook] notürlech au no”. Mimiks performt den ersten Part dieses Liedes (“si hend gmäint ech chome zom das fucking land erlöse”) und gerade wegen den technischen Anforderungen desselben erstaunte es, dass seine Stimme nach 19 Stücken immer noch frisch klang (oder wieder: manchmal kratzte es schon etwas). Der Händewellenteppich schwingt sich dynamisch nach hinten bis zum Mischpult und wieder zurück mit über die ganze Länge eindrücklicher Homogenität (statt einem harten Kern ganz vorne). -- 00:52 -- Mimiks bedankt sich, verabschiedet sich, verschwindet, der Ruf nach der Zugabe folgt nahtlos. Die Brudis vom Backstage-Durchgang treten in den Vordergrund und heizen an. Eine Stimme aus dem Off: “Schüür… Schüür, mögeder no?” Bäm! Der MC ist mit dem ersten Beatschlag wieder mit voller Präsenz auf den Brettern. Es setzt eine Klammer, dass Mimiks Zwölf ab Achti (20:12) gewählt hat, um den Abend zu beenden. Denn mit dem No-Budget-Clip dazu machte er sich im Dezember 2011 zum YouTube-Phänomen und begann die Geschichte seines Mikstapes. Damals ging die eine Zeile so: “ond de bligg meint ech be nidisch wäg sim albom ide charts / ech be höchschdens niidisch of si bart”, heute so: “... albom ide charts  / äh, näi ech ha sälber eis”. -- 00:56 -- Die Vakuumpumpe im Erdgeschoss wird in Betrieb genommen, rübisstübis ist der Saal fast leer. Luk hält mit Camouflage-Hemd Stellung, die Party geht weiter. Ein paar Tanzende bleiben. Ich halte einem Kameramann die Notausgang-Tür auf, unten im Foyer zeigt sich einmal mehr, dass Mimiks inzwischen bei einem professionellen Label unter Vertrag ist: ein Fotoshooting mit Logos der Medienpartner an laminierter Stellwand, fachkundige Beleuchtung dazu, sowas hab ich in der Schüür noch nie gesehen.

PrimaDJ 01:22 -- Langsam transformiert sich die soziale Situation von Mimiks als Zentrale zum vielstimmigen Klassentreffen der Rapszene. Ich plaudere etwas mit Aleksej, nein, seine Gesangsparts seien kein Playback gewesen, aber es spiele schon ein Tonteppich mit, der für seinen Geschmack etwas zu laut eingestellt sei. “Weisch was ech sgeile a dem ganze fend? Dass de Angel ofem Eis esch, zeigt, dasses jede fo üs chönnt.” Ich komme auf die mich irritierende Fotoshooting-Wand zu sprechen. Aleksej meint, dass das bei einem Schüür-Konzert eines bekannten Schweizer Musikers auch schon so war. Dieser Hitparade-Musiker übrigens habe Mimiks für ein Featuring angefragt, das aber abgelehnt wurde. Meine Irritation löst sich schliesslich mit dem Hinweis eines Kollegen auf, dass ich die Relationen in meiner Wahrnehmung noch nicht angepasst habe: Mimiks ist nun ein nationaler Act. Das ist ganz normal. -- 01:32 -- Luk legt noch immer auf. Die Fotowand ist inzwischen weg. -- 01:45 -- Die Tanzfläche hat sich wieder etwas gefüllt. Draussen im Garten hat sich das Klassen- zu einem Familientreffen verdichtet. -- 02:08 -- Die Tanzfläche leert sich, Schöttchen-Gläser füllen sich am Bühnenrand  (Primakov). Luk spielt noch immer. DJs sind die Langläufer des HipHops. Es ist Zeit, der Schüür gute Nacht zu wünschen. Mein Eingangs erwähnter Kollege hat einen wichtigen, vierten Massstab ausgelassen. Er nennt sich Live-Performance. Oder auch Unterhaltsamkeit. Es nimmt mich wunder, was er dazu sagen würde, wenn er nach dem GeilerAsDu-Konzert nicht gegangen wäre.