Die freie Szene hat Potential!

Auch wenn diese viel und heftig diskutierte Salle Modulable mit grosser Wahrscheinlichkeit nie realisiert wird, hat sie zumindest einige bereichernde Debatten über die Kulturpolitik in Luzern ausgelöst. Die Kulturoffensive im Anker oder die IG-Kultur-World-Cafés beispielsweise. Die jüngste Ausgabe von Letzterem war Zünder für die gestrige Stellungsnahme von Vertreter/innen der Freien Tanz- und Theaterszene.

Es war längst überfällig. Erst führte die professionelle freie Szene lange Jahre ein Mauerblümchendasein, dann wurde sie kürzlich durch «einen unausgereiften Vorschlag des Stadtrates ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt» (Zitat Pressemitteilung), laut dem sie in einer beispiellosen Sparübung zur finanziellen Ermöglichung der Salle Modulable den Auftrag des Luzerner Theaters als «theatraler Grundversorger» hätte übernehmen sollen. Mit einem rund zwanzigmal kleineren Budget. (Die Rede war von 1 bis 1.5 Millionen, während das Luzerner Theater derzeit mit jährlich 21 Millionen subventioniert wird.) Mittlerweile wurde dieser Vorschlag wieder mehrheitlich zurückgezogen und die professionelle freie Szene teilt sich noch immer einen 400000- bis 450000-Franken-Pott mit dem Amateur- und Laientheater. Zwischen den verschiedenen Stufen wird in der Luzerner Kulturförderung anscheinend nicht unterschieden. Während andere Städte Guppenförderungsprogramme auf drei Jahre hinaus kennen, muss der Theaterschaffende in Luzern jede Arbeit einzeln einreichen, auch wenn er bereits sein halbes Leben in diesem Bereich arbeitet. Auch mit den Koproduktionen ist das so eine Sache. Während Zürich, Bern und Basel die nötigen Mittel zu haben scheinen, mussten auch schon grössere Projekte abgeblasen werden, weil der Südpol, der als Luzerner Aufführungsort fungiert hätte, die benötigten 10000 bis 15000 Franken nicht auftreiben konnte. Allgemein würden viel zu viele Projekte einfach durchgewurstelt, aus Liebe zur Sache, ist der Tenor. Die Beteiligten arbeiten zu einem Hungerlohn, weit unter den Mindestvorgaben des Berufsverbands ACT. Luzern müsse vermehrt als attraktiver Standpunkt für freies Theaterschaffen wahrgenommen werden, meint Philippe Bischof, Leiter des Südpols. So habe er sich kürzlich gewundert, als er von einem Projekt las, an dem grösstenteils Luzerner Kunstperformer beteiligt gewesen seien und das in Zürich Premiere feierte. Darauf angesprochen, meinte ein Beteiligter, dass sie gar nicht an Luzern gedacht hätten, weil sie davon ausgingen, dass so was hier gar nicht möglich sei. Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit den Luzerner Theater sieht man vor allem auf administrativer Seite – beispielsweise könnte man sich vorstellen, zusammen eine Theaterzeitung zu machen, in der alle kommenden Stücke aufgelistet sind – aber auch den Zugang zum Kostümfundus und den Werkstätten würde man begrüssen. Wünschenswert wäre weiter die Möglichkeit eines Gastspiels von einer freien Gruppe in den Räumlichkeiten des Luzerner Theaters – zuletzt geschehen mit Schauplatz International. Es ist auch eine Frage, ob der Zuschauer unter 60 alle Jahre dieselben Krugscherben aufwischen, dieselben Fledermäuse ausfliegen sehen will, oder ob er doch eher am politischen und gesellschaftlichen Puls der Zeit interessiert ist. Mehr Geld wird von der Politik in den nächsten Jahren leider nicht zu erwarten sein. Aber wenn man überlegt, wie viel freie Produktionen man mit einer einzelnen Luzerner-Theater-Produktion weniger im Jahr unterstützen könnte, kommt man ins Grübeln ...

Den an die Politik gerichteten Appell im Wortlaut lesen Sie hier.