Die eindrucksvolle Vielfalt der Tanzdirektorin

Luzerner Theater, 05.05.2019: Die Jubiläumsgala von Tanzdirektorin Kathleen McNurney zeigt die Highlights der letzten zehn Jahre unter ihrer Leitung. «Crescendo!» gibt einen Einblick in die grenzenlosen Möglichkeiten der Tanzwelt.

Titelbild: Ingo Höhn

Im Luzerner Theater wurde am Sonntagabend Kathleen McNurney geehrt. Seit zehn Jahren waltet die Tanzdirektorin in Luzern. Moderator des Galaabends, Kurt Aeschbacher, bat in dem Rahmen der «Crescendo!»-Jubiläumsgala die Anwesenden, die Amerikanerin in drei Worten zu beschreiben. «Pragmatik, Perfektion und Professionalität», sagte beispielsweise Intendant Benedikt von Peter. Ein anderer verglich sie mit einer menschlichen Haut: «Sie gibt Schutz, Wärme und formt Körper.» Eine Art Mutterrolle für die Tänzer*innen.

Die Feier bot einen Rückblick auf McNurneys Schaffen, mit fünf Highlights aus den letzten 10 Jahren «Tanz Luzerner Theater». Dabei ging bereits der Einstieg unter die Haut:

«Sortijas» ist der Name des ersten Stücks. Es ist ein altes spanisches Wort für «Ring», ein Symbol der Ehe, ein Versprechen für die Ewigkeit. Doch was, wenn die Liebe darin zerbricht, die Leidenschaft verloren geht? Fünf Minuten Muskeln anspannen, fünf Minuten Perfektion. Wie ohnmächtig und doch scharf und entschlossen führen Sie und Er die Bewegungen zur sanften akustischen Gitarre aus – wie automatisiert. Im Gegensatz zu anderen Choreografien modernen Tanzes zeigt «Sortijas» keinen Moment der Schwäche, keine Weichheit ­– nur bitterer Ernst ... und hinterlässt Gänsehaut.

Jubiläumsgala am LT
Foto: Ingo Höhn

Es folgt «Äffi». Die Scheinwerfer leuchten auf einen muskulösen Männerrücken. Die Atemzüge sind erkennbar. «Hurt» von Johnny Cash ertönt, der Tänzer zeigt ausdrucksstark die Verzweiflung des Kontrollverlusts über seinen eigenen Körper. Zitternde Bewegungen ziehen sich durch das Solo, während der Tänzer verloren seinen eigenen Körper beobachtet, bis sein Schmerz schliesslich in zwei Schreien ausbricht, die Cashs Gesang übertönen.

Dagegen beitet «7,8» leichte Kost. Eine Gruppe tanzt eine Mischung aus brasilianischem Capoeira und Breakdance-Battle zu Perkussionsmusik. Einladend wird das Bild einer sich animierenden energetischen Gemeinschaft geschaffen, die sich immer zu neuen Herausforderungen ermutigt.

Mit Vielfalt, Überraschung und Unermüdlichkeit lässt sich «Tanz Luzerner Theater» unter McNurneys Leitung auch beschreiben. Dies beweisen nicht nur die vorgeführten Highlights, sondern auch die zwei gezeigteVideosequenzen mit Ausschnitten aus den vergangenen Stücken.

Die zweite Hälfte ist in Nebel getaucht

Nach der Pause kehrt wieder dunkle Energie in den Saal ein. Die Kompanie tritt auf wie ein Kult, der Dämonen beschwören will. «Niflheim» («Reich des Nebels» in der Germanischen Mythologie) lebt vor allem vom Gesamtbild: Kostüm, Tanz und Musik als gleichwertige Elemente des Auftritts. Immer bedrohlicher und mächtiger wird das Spektakel, die Bewegungen erinnern an asiatische Kampfkunst. Androgyne Gestalten der Nacht geistern wie lebendig gewordene Schatten über die Bühne.

Niefelheim am LT
Foto: Gregory Batardon

Nebel wird auch im letzten Stück repräsentiert: «White fog lifting» ist dabei aber der pure Gegensatz zu «Niflheim». Ein träumerisch leichtes Duett in blauen Seidenstoffen, das Menschen in ihrem Ursprung zeigt: eins mit der Natur. Auch wenn sich das Stück etwas zieht; der Tänzer und die Tänzerin bewegen sich während zwölf Minuten geschmeidig aneinander vorbei und zeigen wie ästhetisch Tanz am Ende sein kann.

Der Besuch der Gala lohnt sich, um vor allem eins zu erkennen: Die Diversität der Tanzwelt kennt keine Grenzen. Kathleen McNurney und die Kompanie machen es auch nach zehn Jahren schwer, Stücke zu vergleichen. Der Rückblick hinterlässt die Zuschauer*innen in Vorfreude auf die kommende Saison und hoffentlich weitere Überraschungen.

Crescendo!
SO 12.Mai, SO 09. Juni, jeweils um 19:00 Uhr
Luzerner Theater

Tanz Luzerner Theater: Zach Enquist, Carlos Kerr Jr., Aurélie Robichon, Tom van de Ven, Andrea Thompson, Giovanni Insaudo, Sandra Salietti, Valeria Marangelli, Louis Steinmetz, Janne Boere, Francesco Morriello, Hayleigh Smillie, Emelie Söderström

Choreographie: Cayetano Soto, Marco Goecke, Georg Reischl, Po-Cheng Tsai, Patrick Delcroix

Direktion: Kathleen McNurney

Weiter Infos unter:
https://www.luzernertheater.ch/crescendo

Die Rezension gefällt? Hier gibt’s alle Texte von Hannah Göldi!


 [0411]Verstehe ich nicht, den Satz musst du besser einführen